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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema Mai 2005: "Im stellaren Kindergarten"

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Die Infrarotaufnahme des Zentrums des Orionnebel wurde mit dem Very Large Telescope der ESO erstellt (http://www.eso.org/outreach/press-rel/pr-2001/phot-03a-01-hires.jpg). Deutlich ist das Trapez etwas oberhalb der Bildmitte zu erkennen, umgeben von einem Sternhaufen mit etwa 500 Mitgliedern, die nur auf solchen Infrarotbildern sichtbar sind.
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In unserer näheren galaktischen Nachbarschaft, in etwa 1500 Lichtjahren Entfernung, befindet sich mit der Orion-Riesenmolekülwolke eine sehr aktive Sternentstehungsregion. Diese Wolke hat eine Ausdehnung von mehr als 450 Lichtjahren und enthält Material für gut hundertausend Sterne von der Masse unserer Sonne. Die Verteilung des molekularen Gases und der ebenfalls enthaltenen Staubkörner in den dunkel erscheinden Wolkenteilen ist sehr ungleichmässig. Das Innere dieser Dunkelwolken ist mit konventionellen optischen Teleskopen vom Erdboden aus nicht beobachtbar. Radioteleskope erlauben einen tieferen Blick, doch erst mit den satellitengestützten Infrarot-Teleskopen erreichen wir den nötigen Detailreichtum zur Untersuchung dieser Regionen. Das erste Instrument dieser Kategorie war IRAS, der "Infrared Astronomical Satellite", der 1983 gestartet wurde. Mit IRAS und seinen Nachfolgern ISO und Spitzer kennen wir nun die Grössen und physikalischen Parameter dieser dunklen Regionen und der in sie eingebetteten "dichten Kerne". Diese haben typische Ausdehnungen von 0,3 Lichtjahren und enthalten etwa 20 Sonnenmassen Material. Die grössten, sehr seltenen Exemplare sind zehnmal grösser.

In der unmittelbaren Nachbarschaft der dunklen Kerne sind häufig Ansammlungen von Sternen zu finden. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der Orionnebel, auch als M42 oder NGC1976 bekannt. Schon mit einem Feldstecher kann man die hellsten Sterne erkennen. Ein grosser Teil der Sterne dieses jungen Sternhaufens ist mit optischen Teleskopen allerdings gar nicht sichtbar: die Sterne stecken noch in den Wolken, aus denen sie entstanden sind, und diese Wolken sind für optische Strahlung undurchlässig. Im nahen Infrarot hingegen sind die Wolken transparent und wir erkennen eine Vielzahl von Sternen. Um das bekannte Trapez des Orionnebels herum finden wir über 500 junge Sterne. Ein anderes Beispiel einer - sehr viel kleineren - Dunkelwolke ist die Taurus-Auriga-Region, die dank der geringen Entfernung von etwa 400 Lichtjahren sehr gut untersuchbar ist. Auch hier finden wir eingebettete Sterne, allerdings keine derart leuchtkräftigen wie im Orionkomplex.

Da wir eine Vielzahl von Dunkelwolken beobachten können, sind diese offenbar recht stabil. Um aus einer Wolke einen oder mehrere Sterne formen zu können, muss sie instabil werden und kollabieren. Betrachten wir eine Molekülwolke genauer, erkennen wir eine äussere "atomare" Hülle und eine innere Molulekülzone, in welche die genannten dichten Kerne eingebettet sind. Die Temperatur fällt von der atomaren Hülle bis in die dichten Kerne, und umgekehrt steigt die Dichte von aussen nach innen an, wobei die dichten Kerne als "Spitzen" im Dichteprofil deutlich herausragen. Die tiefen Temperaturen kommen dadurch zustande, dass Staubkörner und einfache Molküle wie das Wasserstoffmolekül die elektromagnetische Strahlung absorbieren und so das Wolkeninnere abschirmen - die äusseren Zonen der Molekülwolke wirken wie ein Sonnenschirm. Trotz der tiefen Temperatur im Inneren der Wolken gibt es noch einen Anteil ionisierter, also elektrisch geladener Moleküle. Diese Teilchen werden durch das in allen Molekülwolken vorhandene Magnetfeld beeinflusst.

Wie wird ein Kern instabil und kollabiert? In einfachen Modellen mit quasistatischen Magnetfeldern finden wir keine Lösung, die mit den Beobachtungen übereinstimmt. Dagegen kann ein einfaches Modell ohne Magnetfeld den Kollaps und den nachfolgenden Einfall von Gas in das Zentrum des Kerns erklären - aber es passt nicht zu den gemessenen Magnetfeldern in den Molekülwolken. Erst aufwändige magnetohydrodynamische Modelle bringen alle Beobachtungen unter einen Hut, auch die beobachtete langsame Rotation der Kerne. Da solche Modelle sehr rechenintensiv sind, wurden hier erst in den letzten Jahren grosse Fortschritte erzielt.

Durch die Kontraktion des Kerns wird die anfänglich langsame Rotation aufgrund des "Pirouetteneffekts" beschleunigt. Dadurch wird das noch einfallende Material in eine Scheibe um die zentrale Verdichtung gezwungen. Diese Scheiben findet man bei den "Herbig-Haro-Objekten". Im Zentrum des Kerns bildet sich nun ein Protostern, welcher sich mehr und mehr verdichtet. Im Zentrum wird eine neue Energiequelle angeschaltet: die Kernfusion. Wohl mehr als die Hälfte der dichten Kerne fragmentiert während des Kollapses, so dass sich Doppel- oder sogar Mehrfachsternsysteme bilden können. Da normalerweise nicht nur ein einzelner Kern, sondern eine Molekülwolke ganz oder teilweise instabil wird, bildet sich ein Sternhaufen, der einige dutzend bis zu mehrere tausend Sterne enthalten kann. Die Anzahl der Sterne hängt massgeblich vom Materialreichtum der ursprünglichen Wolke ab. Desweiteren gibt es auch einen Zusammenhang zwischen der Ausgangsmasse und den massereichsten Sternen: die im Vergleich zu unserer Sonne bis zu hundertmal massereicheren und millionmal leuchtkräftigeren O-Sterne entstehen vermutlich durch die Verschmelzung von mehreren dichten Kernen oder sogar Protosternen aus sehr massereichen Molekülwolken wie im Orionkomplex. In der Taurus-Auriga-Region reicht es dazu nicht.

Die durch die Kernfusion freiwerdende Energie bahnt sich ihren Weg aus dem Kern des jungen Sterns nach aussen und erzeugt dabei einen "Sternwind", der das Gas in der Umgebung wegbläst: der Sternhaufen wird für unsere Augen sichtbar.

Andreas Kronawitter


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Otto J. Pilzer, 2005-05-01