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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Anhang zu "Ergänzende Informationen und Korrekturen zum Interstellarum-Artikel »Exakte Polachsenjustierung«"

von Bernhard Kindermann

Zum Hauptteil

Inhalt:

A1. Abhängigkeiten zwischen fehlerhafter Einnordung und Bildfelddrehung

A2. Anleitung zum Einnorden einer äquatorialen Fernrohrmontierung

A3. Kurzanleitung zum Einnorden


A1. Abhängigkeiten zwischen fehlerhafter Einnordung und Bildfelddrehung

Hier werden die wichtigsten Abhängigkeiten aufgezählt, die zwischen fehlerhafter Einnordung und den daraus resultierenden Sternstrichspuren auf dem Filmmaterial bestehen:

a) Grundsätzlich gilt: Die Bildfelddrehung tritt um so mehr in Erscheinung,

  • je größer der Restfehler beim Einnorden ist,
  • je länger belichtet wird,
  • je weiter das aufzunehmende Objekt vom Nachführstern entfernt ist. Da beim Mittelformat ein größeres Feld abgelichtet wird, muss hier also wesentlich genauer eingenordet werden. Außerdem ergibt sich hieraus, dass sich der Nachführstern möglichst nahe der Mitte des Aufnahmefeldes befinden sollte.
b) Aber: Die Länge der auf dem Film sichtbaren Strichspuren ist im Wesentlichen unabhängig von der Brennweite der Aufnahmeoptik, d.h. bei ansonsten gleichen Bedingungen zeigt eine Aufnahme durch das Normalobjektiv (z.B. f=50mm) die gleiche Bildfelddrehung wie eine solche durch die Fernrohroptik (z.B. f=2000mm). Erst bei Weitwinkelaufnahmen (f < 50mm) tritt langsam eine Abschwächung des Effekts ein. Allerdings gewinnen dann andere Einflüsse an Bedeutung, z.B. die differentielle atmosphärische Refraktion, die sich in der Regel zuerst an Sternen in den gegenüberliegenden Bildecken auf dem Negativ bemerkbar macht.

Die Bildfelddrehung wird manchmal mit der erforderlichen Nachführgenauigkeit verwechselt. Letztere hängt natürlich schon von der Aufnahmebrennweite ab und muss mit zunehmender Brennweite gesteigert werden.

c) Schließlich besteht auch noch eine Abhängigkeit zwischen der Art der Stundenachsen-Dejustierung (Azimut und/oder Polhöhe) und der Richtung, in der das Aufnahmefeld liegt. Dies mag manchen überraschen, kann bei der Auswahl der Aufnahmeobjekte jedoch nützlich sein, wenn mögliche Restfehler der Stundenachsenjustierung bekannt sind. Hierbei lassen sich mehrere Fälle unterscheiden.

Abweichungen im Azimutwinkel verursachen eine besonders starke Bildfelddrehung, wenn das Aufnahmefeld (Nachführstern) im Bereich des

  • Südmeridians (Stundenwinkel um 0h) bei niedrigen Deklinationen (um 0°) liegt.
  • West- oder Ostmeridians (Stundenwinkel um +/-6h) bei hohen Deklinationen (Polnähe) liegt.
Abweichungen bei der Polhöhe verursachen eine besonders starke Bildfelddrehung, wenn das Aufnahmefeld (Nachführstern) im Bereich des
  • Südmeridians bei hohen Deklinationen liegt.
  • Ost- oder Westmeridians bei niedrigen Deklinationen liegt.
In der Realität werden natürlich meist Mischformen der genannten Fälle auftreten, wobei die beiden nachfolgenden Aufnahmen eindrucksvoll vor Augen führen, welch große Einflussmöglichkeiten für den Fotografen dabei doch bestehen. Bei beiden Aufnahmen war die Polhöhe gezielt um 5' zu steil eingestellt; das Azimut war perfekt justiert. Es wurde jeweils die Polgegend aufgenommen, einmal im Bereich des Südmeridians, das andere Mal im Bereich der Westmeridians. Alle anderen Bedingungen waren identisch.

Polhoehe_Abb6_320x240.jpg Polhoehe_Abb7_320x240.jpg
Abb. 6: Aufnahme der Polgegend bei um 5' zu steil eingestellter Stundenachse. Der Nachführstern befand sich während der Belichtung im Bereich des Südmeridians. Die Sterne werden zu Strichspuren verschmiert. Daten: Film Fuji Provia 400F, f=180mm, Belichtungszeit 80min Abb. 7: Gleiche Bedingungen wie in Abb. 6, Nachführstern befand sich jedoch im Bereich des Westmeridians. Es sind nur minimale Strichspuren feststellbar. Daten: Film Fuji Provia 400F, f=180mm, Belichtungszeit 80min
[Zum Vergrößern bitte das jeweilige Bild anklicken.]

Polarstern, Pol (Kreuz) und Nachführstern (Pfeil) sind wieder bei beiden Aufnahmen gekennzeichnet. Während die linke Aufnahme deutliche Strichspuren zeigt, sind sie bei der rechten Aufnahme trotz ansonsten identischer Bedingungen fast verschwunden. Durch gezielte Auswahl der Aufnahmegegend kann man bei bekannter Justierabweichung also Verbesserungen bei der Bildfelddrehung erzielen. Umgekehrt kann man natürlich aus solchen Aufnahmen auch auf die vorhandenen Justierfehler der Stundenachse schließen und entsprechend korrigieren.

A2. Anleitung zum Einnorden einer äquatorialen Fernrohrmontierung

Für visuelle Beobachtungen reicht im allgemeinen die grobe Ausrichtung der Stundenachse auf den Himmelspol aus. Dies kann entweder mit einem Polsucher oder den in Abschnitt a) und b) beschriebenen Schritten vorgenommen werden. Für Langzeit-Fotografie bis zu einer Stunde sollten dagegen die Restfehler bei der Ausrichtung nicht größer als 1 Bogenminute sein, da sonst Bildfeldrotation sichtbar werden kann. Das dafür nötige genaue Einnorden kann mit den restlichen Schritten c) bis f) vorgenommen werden.

a) Stativ so aufstellen, dass der Montierungsflansch waagerecht ausgerichtet ist. Hierzu nach Möglichkeit Dosenlibelle oder Wasserwaage verwenden. Um nachträgliche Verkippungen am Stativ zu vermeiden, sollten schon vor der Nivellierung Achsenkreuz, Tubus und Gegengewichte montiert und ausbalanciert werden.

b) Montierung durch Justieren von Azimut und Polhöhe grob auf den Himmelspol ausrichten. Wenn kein Polsucher vorhanden ist, kann man folgendermaßen vorgehen:

  • Teleskop mittels Teilkreis auf Deklination = 90° einstellen (Achtung: Teilkreis muss justiert sein).
  • Langbrennweitiges Okular in Hauptoptik einsetzen.
  • Azimut und Polhöhe solange verstellen, bis der Polarstern zuerst im Sucherfernrohr und schließlich mittig im Okular der Hauptoptik erscheint. Der Himmelspol befindet sich 0,7° abseits vom Polarstern. Wenn man mit der Umgebung des Pols vertraut ist, kann man diese kleine Abweichung durch Schätzung der realen Position kompensieren. Dies ist zwar nicht nötig, kann jedoch die anschließende Feinjustierung verkürzen.

c) Ermittlung der Azimut-Abweichung mittels Scheiner-Methode:

  • Stern im Süden nahe des Zenits einstellen.
    Will man die Abweichung mit höchster Genauigkeit bestimmen, dann sollte die Messung "symmetrisch" um den Südmeridian durchgeführt werden (z.B. bei einer 60min-Messung von Stundenwinkel 23:30 bis 00:30).
  • Mess- oder Fadenkreuzokular einsetzen und lineare Strichteilung in NS-Richtung ausrichten.
  • Stern in Okularmitte positionieren.
    Startzeitpunkt der Messung notieren, evtl. auch Stoppuhr verwenden.
  • Montierung laufen lassen bzw. Stundenwinkel manuell nachführen. Die Dauer der Messung kann auch von der Drift des Sterns im Okular abhängig gemacht werden. Sinnvoll kann auch sein, so lange zu warten, bis der Stern um einen oder mehrere ganze Striche gewandert ist, denn Strich-Bruchteile lassen sich meist nur schwer schätzen, Zeiten im Gegensatz dazu sehr genau ablesen.
  • Ende der Messung notieren, bzw. Stoppuhr anhalten.
    Sternposition notieren --> Drift
  • Durch leichtes Antippen des Tubus die Richtung ermitteln, in die sich der Stern bewegt hat:
    • Fall 1:
      Optik zeigt physikalisch etwas unter den Stern (Stern wandert nach Norden) --> Montierung von oben gesehen im Uhrzeigersinn drehen
    • Fall 2:
      Optik zeigt physikalisch etwas über den Stern (Stern wandert nach Süden) --> Montierung von oben gesehen gegen Uhrzeigersinn drehen

d) Korrektur des Azimutwinkels:

  • Korrekturwert für Azimut berechnen:
    Korrektur [Strich] = 229 * Drift [Strich] / Messzeit [min]
  • Stern im Süden bei Deklination nahe 0° einstellen.
  • Lineare Strichteilung des Messokulars in OW-Richtung ausrichten.
  • Azimut-Klemmung lösen.
  • Azimut so weit verstellen, bis sich der Stern im Okular um die berechnete Korrektur bewegt hat. Dabei auf die vorher ermittelte Richtung achten (Fall 1 oder 2). Während der Azimutkorrektur muss der Rektaszensionsantrieb weiterlaufen, da sich die Erddrehung sonst als Störung auswirkt. Sollte die Montierung über keinen Antrieb verfügen, muss die Korrektur entweder sehr schnell erfolgen oder man berücksichtigt die Zeit, die man zum Verstellen des Azimut benötigt, als zusätzliche Strichzahl im Okular.
  • Azimut-Klemmung wieder fixieren.
e) Ermittlung der Polhöhen-Abweichung mittels »Alternativem Verfahren«:
  • Lineare Strichteilung des Messokulars in OW-Richtung ausrichten.
  • Stern um Südmeridian bei hoher Deklination 85...89° einstellen. Teleskop ist nun eigentlich nach Norden gerichtet.
  • Stern in Okularmitte positionieren.
    Startzeitpunkt der Messung notieren.
  • Montierung mit exakter Sterngeschwindigkeit laufen lassen. Keine Korrekturen vornehmen!
    Falls die Montierung über keinen Antrieb verfügt, kann der Stundenwinkel mittels Teilkreis und Sternzeituhr auch manuell um den nötigen Winkel weiterbewegt werden. Hierbei ist eine hohe Genauigkeit anzustreben, da Abweichungen unmittelbar als Fehler in die Messung eingehen.
  • Ende der Messung notieren.
    Sternposition notieren --> Drift
  • Durch leichtes Antippen des Tubus die Richtung ermitteln, in die sich der Stern bewegt hat:
    • Fall 3:
      Stundenachse müsste nach Westen gedreht werden, um Stern wieder ins Fadenkreuz zu bringen, d.h. die Montierung bewegte sich scheinbar langsamer als der Stern --> Polhöhe verringern
    • Fall 4:
      Stundenachse müsste nach Osten gedreht werden, um Stern wieder ins Fadenkreuz zu bringen, d.h. die Montierung bewegte sich scheinbar schneller als der Stern --> Polhöhe erhöhen
f) Korrektur der Polhöhe:
  • Korrekturwert für Polhöhe berechnen:
    Korrektur [Strich] = 229 * Drift [Strich] / Messzeit [min]
  • Stern um Südmeridian einstellen.
  • Lineare Strichteilung des Messokulars in NS-Richtung ausrichten.
  • Polhöhen-Klemmung lösen.
  • Polhöhe so weit verstellen, bis sich der Stern im Okular um die berechnete Korrektur bewegt hat. Dabei auf die vorher ermittelte Richtung achten (Fall 3 oder 4).
  • Polhöhen-Klemmung wieder fixieren.
g) Abhängig von der gewünschten Genauigkeit kann man die Schritte c) bis f) eventuell wiederholen bzw. eine Kontrollmessung durchführen. Am Ende ist die Stundenachse perfekt auf den scheinbaren Himmelspol ausgerichtet.

A3. Kurzanleitung zum Einnorden

a) Montierung grob auf den Himmelspol ausrichten:
  • Stativ so aufstellen, dass der Montierungsflansch waagerecht ausgerichtet ist.
  • Deklination = 90° einstellen
  • Azimut und Polhöhe verstellen, bis Polarstern (bzw. reale Polposition) mittig im Teleskop erscheint.
b) Ermittlung der Azimut-Abweichung mittels Scheiner-Methode:
  • Stern im Süden nahe des Zenits einstellen. Eventuell auf "symmetrische" Messung achten.
  • Lineare Strichteilung der Messokulars in NS ausrichten.
  • Stern in Okularmitte positionieren und Startzeitpunkt der Messung notieren.
  • Messende und Sternposition notieren.
  • Korrektur-Richtung ermitteln:
    • Fall 1:
      Optik zeigt physikalisch etwas unter den Stern (Stern wandert nach N) --> Montierung im UZS drehen
    • Fall 2:
      Optik zeigt physikalisch etwas über den Stern (Stern wandert nach S) --> Montierung gegen UZS drehen
c) Korrektur des Azimutwinkels:
  • Korrekturwert berechnen:
    Korrektur [Strich] = 229 * Drift [Strich] / Messzeit [min]
  • Stern im Süden bei Deklination nahe 0° einstellen.
  • Strichteilung des Messokulars in OW ausrichten.
  • Azimut justieren.
d) Ermittlung der Polhöhen-Abweichung mittels »Alternativem Verfahren«:
  • Strichteilung des Messokulars in OW-Richtung belassen.
  • Stern um Südmeridian bei hoher Deklination 85...89° einstellen.
  • Stern in Okularmitte positionieren und Startzeitpunkt der Messung notieren.
  • Montierung mit exakter Sterngeschwindigkeit laufen lassen. Keine Korrekturen vornehmen!
  • Messende und Sternposition notieren.
  • Korrektur-Richtung ermitteln:
    • Fall 3:
      Montierung bewegte sich scheinbar langsamer als der Stern --> Polhöhe verringern
    • Fall 4:
      Montierung bewegte sich scheinbar schneller als der Stern --> Polhöhe erhöhen
e) Korrektur der Polhöhe:
  • Korrekturwert berechnen:
    Korrektur [Strich] = 229 * Drift [Strich] / Messzeit [min]
  • Stern um Südmeridian einstellen.
  • Strichteilung des Messokulars in NS ausrichten.
  • Polhöhe justieren.
Abhängig von der gewünschten Genauigkeit kann man die Schritte b) bis e) wiederholen.

In den nächsten Monaten wird an dieser Stelle noch eine englische Übersetzung der Anleitungen ergänzt.


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Otto J. Pilzer, 2005-08-26