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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema März 2003: "Die Milchstrasse"

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Die Entstehung der Milchstrasse aus griechischer Sicht: als der Held Herakles an der Brust der Göttermutter Hera gesäugt werden soll, spritzt die Milch über den Himmel.
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In klaren dunklen Nächten erkennt man ausserhalb unserer hell erleuchteten Ortschaften ohne grosse Mühe das Band der Milchstrasse am Firmament. Aufmerksame Beobachter können die Drehung des Bandes mit den Jahreszeiten verfolgen und mit einem Fernglas oder Teleskop einen tieferen Blick auf dieses Phänomen werfen. Optische Instrumente wie die genannten sind eine verhältnismässig neue Erfindung. Vor nicht einmal vierhundert Jahren, im Jahr 1608, erfand der Niederländer Hans Lippershey das Fernrohr. Über verschlungene Wege, unter Mithilfe der Jesuiten, fand es seinen Weg nach Italien, wo es ein Jahr nach seiner Erfindung Galileo Galilei vor das Auge bekam. Bevor wir uns damit befassen, was Galilei damit entdeckte, machen wir einen Ausflug in frühere Epochen.

Der Welt des antiken Griechenlands verdanken wir dem Phänomen seinen Namen: Milchstrasse stammt vom griechischen gala (Milch) und xias (Weg). Die Griechen hatten auch eine mythologische Deutung: die schlafende Göttermutter Hera sollte nach dem Willen ihres Göttergatten Zeus den von ihm mit der irdischen Alkmene gezeugten Herakles stillen, um jenen unsterblich zu machen. Der kräftig geratene Junge weckte Hera aber durch sein kräftiges Werken, und diese riess sich den Jungen von der Brust - die Milch spritzte über den ganzen Himmel.

Bereits der Grieche Demokrit von Abdera hatte vor 2400 Jahren eine nüchternere Vorstellung von der Galaxis. Sie sollte nichts anderes sein als eine ungeheure Ansammlung sehr weit entfernter Sterne. Genau das konnte Galilei 1610 mit seinem Fernrohr bestätigen. Er schrieb dazu: "Ich habe die Natur und den Stoff der Milchstrasse untersucht. Mit Hilfe des Teleskops habe ich dies so unmittelbar und mit so augenfälliger Gewissheit überprüfen können, dass aller Streit darüber, der die Philosophen seit so vielen Jahrhunderten verwirrt hat, gelöst ist und wir nun endlich von den langatmigen Debatten darüber befreit sind. Die Galaxis ist in der Tat nichts anderes als eine Ansammlung zahlloser Sterne, die zu Haufen zusammengeballt sind."

Immanuel Kant, über einen zweifelhaften Zeitungsartikel mit Thomas Wrights Idee von der Milchstrasse als Scheibe bekannt gemacht, versucht eine wissenschaftliche Einordnung, die er in "Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprung des ganzen Weltgebäudes nach den Newtonischen Grundzügen abgehandelt" beschreibt. Kant schloss, dass wenigstens einige der beobachteten nebeligen Fleckchen Milchstrassen wie unsere eigene sein könnten.

William Herschel war durch seine Entdeckung des Uranus vom Musiker und Amateurastronom zum "Profi" mit königlicher Leibrente geworden - aus astronomischer Sicht eine gute Investition des englischen Königs. Herschel baute die grössten und besten Teleskope seiner Zeit und nutzte sie ausgiebig. Mit systematischen Sternzählungen in 700 ausgewählten Feldern konnte er die Struktur der Milchstrasse nachbilden. In Herschels Modell ist die Milchstrasse wiederum eine Scheibe, allerdings mit einer deutlichen Verdickung im Zentrum. Die Sonne sollte einen Platz nahe dem Zentrum einnehmen, aber nicht exakt darin. Die Grösse der Milchstrasse konnte Herschel nicht bestimmen. Für ihn schien klar, dass die "Nebel" innerhalb der Milchstrasse liegen mussten. Da Herschel aufgrund seiner vielen hervorragenden Arbeiten eine ungeheure Autorität zu eigen war, prägte diese Ansicht das Denken vieler Astronomen in den folgenden hundert Jahren.

Nicht alle liessen sich von der Autorität Herschels leiten. Der dritte Earl of Rosse, der sich in Birr in Irland das in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts mit 1.8 Metern Durchmesser grösste Teleskop der damaligen Zeit errichten liess, beobachtete mit Vorliebe Nebel mit Spiralform. Nachdem er bei vielen Nebeln diese Form hatte erkennen können, die er in detailgetreuen Zeichnungen festhielt - die Fotografie war noch nicht einsatzfähig für diese Zwecke - wurde unter Astronomen die Frage diskutiert, ob die Milchstrasse nicht eine ähnliche Gestalt haben könnte. In der Folge kreiste die Diskussion darum, ob die beobachteten Spiralnebel innerhalb oder ausserhalb der Galaxis liegen würden.

Für die weitere Geschichte wurde die Arbeit einer hervorragenden Astronomin von entscheidender Bedeutung. Henrietta Leavitt untersuchte um 1910 veränderliche Sterne vom Typ der Delta-Cepheiden und entdeckte, dass für diese ein Zusammenhang zwischen der Periode ihrer Helligkeitsänderung und ihrer Helligkeit bestand. Ihrem Kollegen Harlow Shapley gelang es, die Helligkeit und damit die Entfernungen dieser Sterne zu bestimmen. Im nächsten Schritt konnte er damit die Distanzen zu Kugelsternhaufen messen. Diese schienen ihm eine Art "äusseres Gerüst" der Milchstrasse zu sein, wodurch er einen Wert von 300000 Lichtjahren für den Durchmesser der Galaxis errechnen konnte - zehnmal grösser als alle vorherigen Werte. Für Shapley erschien damit plausibel, dass die Milchstrasse praktisch das ganze Universum abdeckte. Eine weitere Entdeckung von ihm war, dass die Kugelsternhaufen unsymmetrisch verteilt sind. Er schloss daraus, dass die Sonne weit weg vom Zentrum der Milchstrasse an deren Rand liegen musste.

Gegen diese Anschauung regte sich Widerstand von anderen Astronomen, und so wurde die "grosse Debatte" mit Heber Curtis und Harlow Shapley organisiert, wo beide ihre Standpunkte darlegen konnten. Am Ende der Debatte war keiner wirklich schlauer - nur war klar, dass es weitere Beobachtungen brauchte. Diese wurden unter anderem von Edwin Hubble gemacht: er entdeckte eine Nova - eine Sorte von eruptiven veränderlichen Sternen - im Andromeda-Nebel. Sollte diese Nova denen der Milchstrasse ähnlich sein, müsste der Andromeda-Nebel weit ausserhalb der Galaxis angesiedelt sein. Um sicher zu gehen, dass er eine Nova im Andromeda-Nebel gesehen hatte, beobachtete Hubble im Herbst 1923 Andromeda jede Nacht und konnte bald zwei weitere Novae und einen Stern finden, den er anfangs auch für eine Nova hielt. Ein Vergleich mit alten Fotoplatten ergab jedoch, dass es sich um einen veränderlichen Stern vom Typ der Delta-Cepheiden handelte - und damit liess sich die Entfernung zum Andromeda-Nebel berechnen: "Es war ein typischer Cepheide mit einer Periode von etwa einem Monat und damit war seine absolute Leuchtkraft im Maximum etwa 7000 mal so gross wie die der Sonne. Um so schwach zu erscheinen, wie es die Beobachtungen zeigen, musste seine Entfernung grössenordnungsmässig 900000 Lichtjahre betragen", so Hubble über seine Entdeckung. Damit lag Andromeda weit ausserhalb der Milchstrasse. Weitere Beobachtungen von Cepheiden in anderen Spiralnebeln zeigten, dass diese ebenfalls weit ausserhalb der Milchstrasse liegen mussten.

Als Ergebnis von Hubbles Bemühungen wissen wir, dass die Galaxis ein grosses, eigenständiges Sternsystem ist, welches von einer Vielzahl ähnlicher Galaxien umgeben wird. Die genaue Struktur der Milchstrasse zu ergründen, stellte sich als ein noch langwieriges und schwieriges Unterfangen heraus. Der Weg zu unserem modernen Bild der Milchstrasse wird in einem folgenden Teil beschrieben werden.

Andi Kronawitter

Literaturhinweise:
N. Henbest, H. Couper: Die Milchstrasse, Birkhäuser Verlag
H.-U. Keller: Astrowissen, Kosmos Verlag
A. Burkert, R. Kippenhahn: Die Milchstrasse, C.H. Beck Verlag
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Otto J. Pilzer, 2003-03-04