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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema Dezember 2003: "Das moderne Bild der Milchstrasse"

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Diese Zeichnung der Milchstrasse wurde 1940 am Lund Observatorium unter der Leitung von Knut Lundmark erstellt. Neben der Milchstrasse wurden 7000 Sterne erfasst. Um diese Darstellung zu erhalten, muss der gesamte Himmel, also Nord- und Südhimmel, während eines Jahres beobachtet werden. An der Zigarrenform der Projektion erkennt man gut, dass unser Standort, das Sonnensystem, sehr nahe der Ebene der Scheibe der Milchstrasse liegt.
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Wichtige Schritte auf dem Weg zur Erfassung der grossräumigen Struktur unserer Heimat-Galaxie

Die Arbeiten Edwin Hubbles und vieler anderer Astronomen ergaben in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts das Bild, dass die Milchstrasse als unser Heimatsystem eine von vielen Galaxien ist. Zu dieser Zeit war allerdings noch nicht gesichert, welche Struktur das Milchstrassensystem hat. Einem Beobachter aus der Andromedagalaxie wäre dies sehr viel einfacher zu entscheiden: er profitiert von einem viel günstigeren Blickwinkel und könnte alle wesentlichen Komponenten der Milchstrasse mühelos erkennen.

Warum ist es für uns so viel schwieriger? Es liegt an unserem Standort: wir sind inmitten des Systems. So wie es für uns schwieriger ist, den grundlegenden Aufbau einer Stadt zu erkennen, wenn wir uns in ihr befinden, als wenn wir sie von oben betrachten, verhält es sich mit unserer Kenntnis über die Milchstrasse. Leider können wir uns auch nicht, wie in einer Stadt, durch Hin- und Herwandern neue Kenntnisse beschaffen: wir sind an einen einzigen Beobachtungsstandort, die Erde, gebunden.

Wie können wir etwas über unsere galaktische Heimat in Erfahrung bringen? Im ersten Schritt kann man versuchen, die Ausdehnungen zu bestimmen. Dazu bedarf es der Bestimmung von Entfernungen, zumindest zu einigen Eckpunkten. Über lange Zeit war es unmöglich, die Entfernungen von Sternen und damit anderen astronomischen Objekten ausserhalb des Sonnensystems zu messen. Erst 1838 gelang es Friedrich Bessel, die Entfernung des Sterns 61 Cygni mittels der geometrischen Parallaxe zu bestimmen. Dazu musste er die Verschiebung dieses Sterns vor dem Fixsternhintergrund aufgrund der jahreszeitlichen Wanderung der Erde um die Sonne messen und umrechnen. In der Folge konnte dies für eine Reihe anderer, nahe gelegener Sterne durchgeführt werden. Diese Art der Entfernungsmessung ist, von der Erde aus, leider nur auf die Sterne in der nächsten Sonnenumgebung beschränkt: schon der sonnennächste Stern Alpha Centauri hat nur eine sogenannte jährliche Parallaxe von einer dreiviertel Bogensekunde (eine Bogensekunde ist der 1/3600 Teil eines Grads), das entspricht der scheinbaren Grösse einer 10 Centmünze in 2 Kilometern Entfernung! Auch bei Messungen, die über mehrere Jahre wiederholt ausgeführt werden, können so nur Sterne bis zu einer Entfernung von etwa 300 Lichtjahren (100 parsec) gemessen werden.

Eine markante Verbesserung brachte der HIPPARCOS (high precision parallaxe collecting satellite) der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA, der am 9. August 1989 gestartet wurde und bis zum 15. August 1993 im Einsatz war. Mit HIPPARCOS konnten rund hunderttausend Sterndistanzen mit einer zehn- bis hundertfach verbesserten Genaugigkeit mit Entfernungen bis 1500 Lichtjahre (500 parsec) vermessen werden. Nebenbei mass das Satellitenobservatorium auch die Geschwindigkeiten und Eigenbewegungen der Sterne und fand als Nebenprodukt 5000 Doppelsterne und um die 15000 veränderliche Sterne.

Die Messung der Entfernungen erlaubt uns allerdings nur, uns ein statisches Bild von der Milchstrasse zu machen. Wie aber bewegen sich die Sterne in der Galaxis? Hier greifen wir auf eine Technik names Spektroskopie zurück und auf einen physikalischen Effekt, der nach dem Salzburger Physiker Christian Doppler benannt ist: die Spektroskopie liefert uns die Wellenlängen von sogenannten Spektrallinien; der Doppler-Effekt bewirkt eine Verschiebung der Wellenlänge je nachdem, ob sich Quelle und Empfänger voneinander entfernen oder aufeinander zubewegen. Die akustische Form des Dopplereffekts kann man jeden Tag erleben: ein Fahrzeug, das auf uns zukommt, hat einen höheren Ton als eines, das sich von uns wegbewegt.

Angewandt auf Sterne kann man die Verschiebung der Spektrallinien der gemessenen Sternspektren zu denen von Labormessungen bestimmen und daraus die Geschwindigkeit des Sterns relativ zur Erde berechnen. Das ist allerdings nur eine Komponente der "Raumgeschwindigkeit" des Sterns, nämlich die entlang der Verbindungslinie Erde - Stern (für unsere Zwecke können wir Erde und Sonne hier als identisch ansehen). In einem dreidimensionalen Raum benötigen wir aber drei Komponenten der Geschwindigkeit: die beiden anderen erhalten wir durch Messung der sogenannten Eigenbewegung. Das ist eine langwierige Angelegenheit, da man dazu die Bewegungen der Sterne über lange Zeiten vor dem Hintergrund der weiter entfernten Sterne über einen möglichst langen Zeitraum verfolgen muss. Zusätzlich benötigt man noch die Entfernung des Sterns, um die zugehörige Geschwindigkeitskomponente zu erhalten. Letzteres kann man sich veranschaulichen, wenn man Flugzeuge am Himmel beobachtet: je nach Entfernung scheinen sie sich unterschiedlich schnell zu bewegen, obwohl sie mit der gleichen Geschwindigkeit fliegen.

Mit diesen Methoden können wir uns ein Bild über die Entfernung einzelner Sterne, die Ausdehnung der Milchstrasse und über die Bewegungen der Sterne in ihr machen.

Andreas Kronawitter


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Otto J. Pilzer, 2003-12-02