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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema April 2004: "Staub, Gas und Sterne"

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Leuchtende Gaswolken und Staubregionen findet man häufig sehr nahe beieinander - dadurch entstehen auch ästhetisch anmutende Aufnahmen. Das Bild zeigt den Pferdekopfnebel in einer Aufnahme mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO). Die wolkenartige Struktur ist gut erkennbar, ebenso die grosse Dynamik, mit der sich diese riesigen Gasmassen gegeneinander bewegen.
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Betrachten wir das Milchstrassenband am Himmel genauer, bemerken wir viele "Unregelmässigkeiten": einige Stellen haben offenbar mehr Sterne, einige Zonen sind dagegen dunkel. Eine ganze Reihe von dunklen Zonen liegt entlang der zentralen Region des hellen Bandes. Was hat es damit auf sich? Offensichtlich besteht die Milchstrasse nicht nur aus Sternen, wie bereits aus den Diskussionen von Immanuel Kant und den Katalogen von Charles Messier und William Herschel bekannt ist. Ein Teil dieser Nebel konnte, vor allem durch die Arbeit von Edwin Hubble, als extragalaktische (ausserhalb der Milchstrasse liegende) Sternsysteme, als Galaxien, identifiziert werden. Allerdings trifft das nicht auf alle Nebel zu: eine Reihe davon gehört zur Milchstrasse, und sie haben eine gänzlich andere Natur als die ersteren. Sie bestehen aus Gas und Staub. Man fasst sie unter dem Begriff "Interstellare Materie", ISM, zusammen.

Eine der wichtigsten Informationsquellen über Sterne und interstellares Gas ist die Spektroskopie. Dabei wird Licht in einem Spektrographen in seine verschiedenen Farben, im physikalischen Sinn spricht man von Wellenlängen, aufgeteilt. So kann man beispielsweise das Licht, das von einem Stern kommt, gezielt analysieren: bei welchen Wellenlängen sendet der Stern viel, bei welchen wenig Licht aus. Was ist der Zweck dieser Untersuchungen? Sterne und Gaswolken bestehen aus chemischen Elementen, welche jeweils ein charakteristisches Muster von sogenannten Spektrallinien erzeugen. So kann man bestimmen, aus welchen chemischen Elementen sich der untersuchte Stern oder die Gaswolke zusammensetzt. Weil die Form der Spektrallinien auch abhängig ist von der Temperatur und der Dichte, können auch diese Parameter mit dieser Technologie gemessen werden.

Die Spektroskopie wurde im 19. Jahrhundert massgeblich entwickelt und schon bald darauf in der Astronomie angewandt. Bei den grossen systematischen Untersuchungen von Sternspektren zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, vor allem durch Annie Jump Cannon, die fünfhunderttausend Sternspektren analysierte, konnte eine Klassifizierung der Sterne vorgenommen werden. Diese, ebenfalls von Frau Cannon erarbeitet, wurde zwischen 1918 und 1924 im neunbändigen "Henry Draper Catalogue" veröffentlicht. Zusammen mit der später hinzugefügten Leuchtkraftklasse konnten Sterne in, nach ihren Erfindern benannten, Hertzsprung-Russell-Diagrammen (HRD) dargestellt werden. Dabei zeigte sich, dass Sterne nicht gleichmässig, sondern in bestimmten Regionen des HRD angesiedelt sind.

Die Gas- und Staubwolken der interstellaren Materie sind im Bereich des sichtbaren Lichts undurchsichtig. Daher stammen die dunklen Zonen, die offenbar sehr stark auf die zentrale Ebene der Milchstrasse konzentriert sind. Wie bei den Sternen wollen wir die Menge, die Verteilung und die Bewegungen der ISM kennen. Diese Aufgabe ist jedoch viel schwieriger als bei den Sternen, da eine Klassifizierung der Wolken ähnlich der Spektralklassen der Sterne nicht möglich ist. Da auch die Ausdehnung der Wolken und ihre Entfernungen von der Sonne beträchtlich sind, kann man keine Parallaxen messen. Zusätzlich erschweren interne Turbulenzen und Strömungen - ähnlich wie in den Wolken der Erdatmosphäre - die Messungen.

In vielen Fällen sind die Wolken mit Sternen assoziert, so dass man mit der Bestimmung der Sternentfernung die Distanz zur Wolke abgeschätzt werden kann. So kann man, mit einigen weiteren Beobachtungen, die Lage der Wolken im Milchstrassensystem rekonstruieren. Als Resultat erhält man, dass sich die Gas- und Staubwolken entlang der Spiralarme konzentrieren. Die Geschwindigkeiten der Wolken kann man mit Radiountersuchungen erhalten. Es zeigt sich, dass die Wolken und die Sterne im Gleichtakt um das Zentrum der Milchstrasse laufen.

Welche Rolle spielen die Spiralarme? In ihnen sammelt sich das Gas der interstellaren Materie und kann zu Molekülwolken verdichtet werden. In diesen können sich Sternentstehungsregionen bilden. Solche Zonen konnten mit dem Hubble Weltraumteleskop aufgenommen werden. Ein gutes Beispiel ist der Orionnebel, in welchem sogenannte Proplyds beobachtet werden können, aus welchen sich Sterne und wahrscheinlich Planetensysteme bilden. Einige heisse, junge Sterne beleuchten und heizen die Gaswolke auf; diese Teile sind als der charakteristisch leuchtende Teil des Orionnebels bekannt.

Da die Sterne in Molekülwolken zu mehreren entstehen, ist zu erwarten, dass nach dem Wegblasen der Reste der ursprünglichen Gaswolke die Sterne in einer Gruppe ihren Weg fortsetzen. Diese Gruppen nennt man, je nach Grösse, Assoziationen oder Sternhaufen. Ein Beispiel für einen jungen Sternhaufen sind die Plejaden. Mit der Zeit lösen sich diese Sternhaufen in der Scheibe der Milchstrasse jedoch auf. Wie schnell dieser Prozess vonstatten geht, hängt von vielen Einflussgrössen ab: der Dichte der Umgebung, der Masse und dem Grad der Kompaktheit des Haufens, um nur einige zu nennen.

Die Sterne entwickeln sich weiter, und enden irgendwann meistens als Planetarischer Nebel oder sogar als Supernova. Aber das ist bereits eine andere Geschichte...

Andreas Kronawitter


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Otto J. Pilzer, 2004-04-01