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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema Februar 2005: "Himmlischer Schnaps"

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Für die Untersuchung von Molekülwolken werden die grössten und modernsten Radioteleskope eingesetzt. Das Bild zeigt das Green Bank Teleskop in der "National Radio Quiet Zone" in West Virginia, USA, in welcher keine Rundfunkanlagen im Umkreis von etwa 100 km zugelassen sind. Das Green Bank Teleskop ist derzeit das grösste frei bewegbare Teleskop der Welt; es hat in dieser Eigenschaft das 100 m Teleskop der Max-Planck-Gesellschaft in Effelsberg (Eifel) abgelöst. Bildquelle: National Radio Astronomy Telescope (NRAO/AUI; www.nrao.edu).
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Haben Sie sich schon einmal gefragt, woher wir eigentlich kommen? Was die dunklen Flecken in der Milchstrasse sind? Wie der Alkohol ins Weltall kommt und wie das alles zusammenhängt?

Fangen wir bei den dunklen Flecken in der Milchstrasse an. Einige Kulturen sahen in ihnen irdische Objekte, die an den Himmel gebannt wurden. Nüchternere Beobachter sahen in ihnen "Sternlöcher", Regionen, in welchen keine oder nur wenige Sterne vorhanden sind.

Wenn man die Verteilung der Dunkelstellen am Himmel kartiert, findet man eine starke Konzentration entlang der Ebene der Milchstrasse. Mit fotografischen Aufnahmen erkennt man weiter, dass die dunklen Zonen nicht "sternlose Zonen" sind, sondern, je nach verwendetem Farbband, Sterne erkennbar werden: auf blauempfindlichen Fotoplatten sind weniger Sterne als auf rotempfindlichen zu sehen. Ein solches Verhalten ist typisch für Streuung von Licht an Staubteilchen. Die dunklen Zonen sind also "Dunkelwolken", die offenbar Staub enthalten.

Sehr oft findet man in diesen Dunkelwolken auch sehr helle, meist rot leuchtende Gaswolken. Diese sind in den Dunkelwolken offenbar eingebettet; es handelt sich um eine Gas-Staubmischung.

Wer die Konsistenz dieser Wolken genauer untersuchen will, bedient sich der Spektroskopie. Damit kann man die "Fingerabdrücke" von chemischen Stoffen messen. Lange Zeit war man auf die Spektroskopie im sogenannten visuellen Bereich (für das menschliche Auge sichtbar) beschränkt. In diesem Bereich sieht man vor allem Atomübergänge; mit anderen Worten, man kann in diesem Spektralbereich fast nur Atome gut untersuchen. Ab Anfang der sechziger Jahre wurde die Spektroskopie in der Astronomie auch im Infrarot- und Radio-Bereich einsetzbar. Damit erweiterten sich die Untersuchungsmöglichkeiten auch auf die Gruppe der zusammengesetzten Stoffe, die Moleküle. Ein Molekül besteht aus mindestens zwei gleichen oder verschiedenartigen Atomen. Beispiele sind der Luftsauerstoff oder Wasser. Moleküle können aber auch aus hunderttausenden von Atomen bestehen wie die DNS, welche das "Programm", also den Bauplan oder genetischen Code, der Organismen enthalten.

Lange Zeit glaubten die Astronomen, dass es im Weltall ausserhalb der Erde oder anderer Planeten keine nennenswerten Molekülvorkommen gibt. Die Sterne sind zu heiss, um grosse Mengen von Molekülen zu haben - von wenigen Ausnahmen wie Titanoxid abgesehen. Diese werden in den Atmosphären von kühlen Sternen gebildet - und bleiben dort bis auf einen verschwindend kleinen Teil, der über Sternwinde abtransportiert wird. Die ersten Moleküle wurden 1937 in Sternspektren entdeckt.

Es dauerte bis 1963, bis mit Hydroxyl das erste interstellare Molekül in der Richtung der Radioquelle Cassiopeia A aufgefunden wurde. 1968/69 wurden dann Ammoniak, Wasser und als erstes organisches Molekül Formaldehyd gefunden. In den Siebziger Jahren kamen einige weitere Molekülentdeckungen dazu, aber den richtigen "Boost" erlebte die Molekülastronomie in den Jahren nach 1990, als spezialisierte Instrumente wie das Greenbank National Observatory in West Virginia, USA, in Betrieb genommen wurden. Heute sind über 90 verschiedene Molekülsorten im interstellaren Raum bekannt. Zählt man die circumstellaren mit, kommt man auf 125 Arten.

Interessant wurde es, als man immer komplexere organische Moleküle in den Molekülwolken fand. Ein prominentes Beispiel war die Entdeckung von Ethylalkohol, gemeinhin als Alkohol bekannt. In der Sagittarius B2 Wolke, der reichsten uns bekannten Molekülwolke, findet sich der Stoff reichlich: 10^28 Flaschen Stroh-Rum liessen sich dort abfüllen (Das ist eine 1 gefolgt von 28 Nullen!). In der gleichen Wolke wurde im September 2004 auch eine Zuckersorte, Glykolaldehyd, entdeckt. Seit 1996 ist auch Glycin, die einfachste Aminosäure, in Molekülwolken nachgewiesen. Offenbar können die Bausteine des Lebens in der unwirtlichen Umgebung des Weltalls entstehen.

Auf der Erde herrschen für die Molekülchemie optimale Voraussetzungen: moderate Temperaturen, hohe Teilchendichte, Wasser als Lösungsmittel und Organsimen wie Pilzen und Bakterien als "Molekülfabriken". Im All sieht es anders aus: extreme Temperaturen, harte (Röntgen-)Strahlung und extrem geringe Teilchendichten sollten das Entstehen von Molekülen verhindern. In den Grundzügen funktioniert das jedoch wie folgt: kleine Moleküle entstehen auf der Oberfläche von Staubteilchen, indem ein Partner auf der Oberfläche klebt, und ein zweiter mit diesem reagieren kann. Nach der Reaktion trennt sich das frisch entstandene Molekül vom Staubkorn. Für komplexere Moleküle funktioniert dieser Entstehungsprozess nicht, da das Produkt auf dem Staubkorn haften bleiben würde. Für diese spielen geladene Teilchen, sogenannte Ionen, eine entscheidende Rolle, da sich "richtig" geladene, freifliegende Teilchen gegenseitig anziehen und so die Reaktionswahrscheinlichkeit drastisch erhöhen. Je komplexer ein Molekül jedoch ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es noch in nennenswerten Mengen gebildet werden kann. Ein DNS-Strang im All ist hochgradig unwahrscheinlich.

Der Staub in den Molekülwolken schützt die Moleküle, da durch ihn die harte interstellare Strahlung abgeschirmt wird. Diese würde die Moleküle aufbrechen. Die niedrigen Temperaturen, welche die Moleküle ebenfalls vor Zerstörung schützen, haben für uns als Beobachter allerdings einen entscheidenden Nachteil: die Moleküle senden nur eine sehr geringe Strahlung aus. Aus diesem Grund geht die Geschichte der Astrochemie erst so richtig los. Neue Instrumente wie ALMA, ein Gemeinschaftsprojekt der ESO, der USA und Japan, lassen spannende Zeiten erwarten. So ist absehbar, dass wir in naher Zukunft die Verbindung der Astrochemie mit der Astrobiologie immer enger sehen werden.

Beim nächsten Staubwischen denken sie bitte daran: Staub behütet Moleküle - und ohne die gäbe es Sie nicht.

Andreas Kronawitter


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Otto J. Pilzer, 2005-02-01