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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema Juni 2006: "Pioneer gibt Gas"

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Eine der beiden identischen Pioneersonden auf dem Weg aus dem Sonnensystem - wie ein Künstler es sich vorstellt. Kein Mensch wird sie auf ihrem Weg mehr zu Gesicht bekommen. Quelle: NASA
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Am 2. März 1972 wurde Pioneer 10 auf den Weg gebracht. Der Zwilling Pioneer 11 folgte am 5. April 1973. Diese beiden Sonden waren die ersten, die den erdfernen Weltraum erforschen sollten. Nach einem Besuch bei Jupiter und Saturn war ihre Aufgabe, den vermuteten Planet X durch die Ablenkung ihrer Flugbahn zu suchen. Daher wurden die Sonden so konstruiert, dass kleine Abweichungen ihrer Bahn festgestellt werden konnten. Ein Planet X wurde nicht gefunden, dafür aber eine Bahnabweichung von mehr als einer Million Kilometer, die sogenannte Pioneer-Anomalie, für die es bis heute keine Erklärung gibt.

Die Pioneer-Sonden wogen beim Start 260 kg, davon waren 40 kg Treibstoff. Die Parabolantennen für die Kommunikation zur Erde hatten einen Durchmesser von knapp 3 Metern. Die Stromversorgung stellten zwei Nuklearbatterien (RTGs) sicher, welche die beim Zerfall von Plutonium freiwerdende Energie in Strom umwandeln. Diese sind an drei Meter langen Auslegern montiert, damit die radioaktive Strahlung die Messgeräte nicht stört. Die Sonden drehen sich mit 5 bis 8 Umdrehungen pro Minute, so dass der Parabolspiegel stabil auf die Erde ausgerichtet bleibt. Mit kleinen Steuerdüsen wurden vor allem nach den Planetenpassagen die Antennenausrichtungen wieder justiert.

Nach dem Start flogen die Sonden mit 14,4 Kilometer pro Sekunde. Bei dem nahen Vorbeiflug an Jupiter wurde Pioneer 10 auf 36,7 Kilometer pro Sekunde beschleunigt und auf eine Bahn aus dem Sonnensystem heraus in Richtung Aldebaran gebracht, den sie in etwa 2 Millionen Jahren erreichen wird. Offiziell wurde die Mission am 31. März 1997 beendet, die letzten Daten erreichten die Erde aber noch am 23. Januar 2003.

Pioneer 11 durchquerte 1975 den Asteroidengürtel und besuchte nach dem Jupiter den Saturn, bei dem sie am 1. September 1979 ankam. Von diesem wurde sie in die entgegengesetzte Richtung zu Pioneer 10 mit Kurs auf das Sternbild Adler abgelenkt. Dort wird sie in etwa 4 Millionen Jahren auf ihren nächsten Stern treffen.

Gesteuert wurden die Sonden vom Deep Space Network von den Bodenstationen Goldstone (USA), Madrid und Canberra (Australien). Von diesen wurden Radiosignale mit einer genau bestimmten Frequenz zu den Sonden geschickt (uplink). Die Sonden veränderten die empfangene Frequenz, die wegen der Dopplerverschiebung gegenüber der ausgestrahlten differiert, um einen festen Faktor und sendeten sie an die Erde zurück (downlink), wo sie wiederum mit einer Dopplerverschiebung verändert ankommen. Aus der Verschiebung der ausgesendeten und der empfangenen Frequenz kann man die Geschwindigkeit der Sonde berechnen. Man kann auch einen theoretischen Wert für die Geschwindigkeiten der Sonden berechnen und diesen nun mit den gemessenen vergleichen. Seit 1979 beobachtet man eine Differenz zwischen diesen beiden Werten. Die Beschleunigung zeigt in Richtung Sonne.

Folgende Erklärungsmöglichkeiten bieten sich an: Es gibt zusätzliche Masse im Sonnensystem, etwa Staub. Das würde sich jedoch auch andernorts, zum Beispiel auf die Planetenbewegungen, auswirken und kann daher ausgeschlossen werden.

Die Satelliten selbst können jedoch auch Ursache sein. So hat das Abstrahlen von Signalen einen geringen Einfluss, der allerdings von der Sonne weg und damit in die falsche Richtung zeigt. Auch der Treibstoffausfluss nach Manövern wurde berücksichtigt, sowie die mögliche elektrische Aufladung der Sonden und deren Einfluss auf die Bewegung in den Magnetfeldern der großen Planeten. Die Wärmestrahlung der RTGs könnte ebenfalls einen Beitrag leisten, ebenso der Austritt des beim Zerfall von Plutonium entstehende Heliums. Aber auch damit kann die Beobachtung nicht erklärt werden.

Fehler kann man natürlich auch bei den Messungen machen sowie bei deren Auswertung. Letztere hat man durch drei unabhängige Gruppen mit verschiedenen Computerprogrammen prüfen lassen, die jedoch alle zum gleichen Ergebnis kamen. Das verwendete Koordinatensystem ist für diese Aufgabe bestens geeignet; die Messungen durch das Deep Space Network könnten jedoch Fehler beinhalten, da die Erde dynamisch ist und daher alle Komponenten der Erdbewegung einschließlich der tektonischen Verschiebung und der Gezeitenkräfte berücksichtigt werden müssen. Diese Faktoren wurden genauso berücksichtigt. Auch Alterungserscheinungen, Wind und mechanische Deformationen der Parabolantennen des Deep Space Networks sind einbezogen worden.

Es gibt also keine plausible Erklärung durch Fehler für die "Pioneer-Anomalie". Bleibt, eine Erklärung im Rahmen der "Standardphysik" zu suchen. Bis heute gibt es noch keinen erfolgversprechenden Ansatz. Als Alternative kann man versuchen, Ansätze wie die "MOND"-Theorie (Modified Newtonian Dynamics) zu testen. Hier gibt es einige Modelle, die möglicherweise eine Erklärung liefern könnten. Diese sind aber noch hochspekulativ.

Auch dreißig Jahre nach ihrer Entdeckung gibt uns die Pioneer-Anomalie Rätsel auf. Zu ihrer Klärung werden alle Daten ab dem Start nun noch einmal analysiert. Parallel dazu wird eine neue Mission der ESA geplant mit dem Namen "Deep Space Gravity Probe". Bleibt zu hoffen, dass sie schnell realisiert wird, damit wir nicht weitere 30 Jahre auf ihre Daten warten müssen.

Andreas Kronawitter


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Otto J. Pilzer, 2006-06-01