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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema Dezember 2006: "Dunkler als die Nacht"

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Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus der Milleniums-Simulation, die massgeblich vom Garchinger Max-Planck-Institut für Astrophysik unter der Leitung von Volker Springel durchgeführt wurde (http://www.mpa-garching.mpg.de/galform/millennium/). Es zeigt die grossräumige Verteilung der Dunklen Materie. In den dichtesten (hellsten) Zonen befinden sich die Galaxienhaufen, die wir direkt beobachten können. Für die Simulation wurde der GadGet-Code mit mehr als 10 Milliarden Teilchen verwendet.
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Was wissen Sie über die Welt ausserhalb der Erde, sagen wir ab einer Höhe von 10000 km? Woher stammt Ihr Wissen?

Der grösste Teil unseres Wissens über den Kosmos stammt aus der Analyse elektromagnetischer Strahlung, dem "Licht". Während ursprünglich das sichtbare Licht, der Bereich des elektromagnetischen Spektrums, für den das menschliche Auge empfindlich ist, im Vordergrund stand, haben wir in den letzten Jahrzehnten unsere Beobachtungsmöglichkeiten auf alle Bereiche von der Radio- bis zur Gammastrahlung ausgedehnt.

Können wir mit der Analyse des Lichts das Weltall vollständig untersuchen? Leider nein, denn zugänglich ist uns nur das, was direkt mit Licht in Wechselwirkung treten kann; also Stoffe, die Licht aussenden oder absorbieren können. Diese nennt man daher auch "leuchtende Materie".

Es gibt neben der elektromagnetischen Strahlung noch eine weitere Quelle: Partikel wie Myonen oder Neutrinos, die manchmal direkt, oft aber nur durch Sekundärreaktionen nachgewiesen werden können. Diese Teilchenstrahlung kann mit Ereignissen, die auch als leuchtende Erscheinungen beobachtbar sind, in Zusammenhang gebracht werden. So konnten zeitgleich mit der optischen Beobachtung der Supernova 1987A auch sieben Neutrinos gemessen werden.

Aus diesen Beobachtungen bleiben wir aber im gleichen Kontext wie bei der Analyse des Lichts - wir lernen über die gleiche Art von Materie. Dass das jedoch nur ein Teil der gesamten Materie ist, wurde von Fritz Zwicky schon 1933 durch die Beobachtung der Geschwindigkeiten von 7 Galaxien im Coma-Galaxienhaufen bemerkt. Die Geschwindigkeiten waren etwa hundertmal grösser als aus der Leuchtkraft des Haufens zu erwarten war. Zwicky nannte dieses Problem "missing mass" (fehlende Materie). Untersuchungen mit Röntgenteleskopen wie dem ROSAT-Satelliten und dessen Nachfolger Chandra X-ray Observatory zeigen das gleiche Bild: ein grosser Teil der Materie in Galaxienhaufen gehört nicht zur Leuchtenden Materie, sondern zur "Dunklen Materie".

Natürlich fragen sich Wissenschaftler sogleich, ob diese Dunkle Materie auch anderswo vorhanden sein und aus was sie bestehen könnte. Ersteres liess sich an Scheibengalaxien alsbald nachweisen: die äusseren Bereiche dieser milchstrassenähnlichen Gebilde rotieren schneller als anhand ihrer Leuchtkraft erwartet. Für Elliptische Galaxien war diese Analyse deutlich schwieriger, gelang aber verschiedenen Forschungsgruppen um den Jahrtausendwechsel herum für eine Reihe von Galaxien mit dem gleichen Ergebnis. Seither bestätigten weitere Arbeiten diese Ergebnisse.

Die Skeptiker fragen an solcher Stelle natürlich, ob das verwendete Theoriefundament korrekt ist. Mordechai Milgrom schlug 1981 eine Theorie namens Modified Newtonian Dynamics, kurz MOND, vor, die das 2. Newtonsche Gesetz abändert. Für die elliptischen Galaxien konnten die Voraussagen von MOND allerdings nicht bestätigt werden. Da diese Theorie auch in anderen Bereichen Schwierigkeiten aufwirft, gilt sie heute ausserhalb ihres Unterstützerkreises als widerlegt.

Bleibt die Frage: Was ist sie, die Dunkle Materie? Die kurze Antwort darauf ist: Wir wissen es nicht. Aber: wir tasten uns heran. Einerseits durch die genannten Untersuchungen von Galaxienhaufen und Galaxien, durch die wir die Verteilung der dunklen Materie messen können. Andererseits durch gezieltes Untersuchen von Kandidaten, so zum Beispiel den grossen Projekten wie OGLE und MACHO zur Suche nach Braunen Zwergen; diese können mangels Anzahl keinen ausreichenden Beitrag leisten. Weitere Wege ergeben sich aus Simulationen von kosmologischen Modellen. Diese kann man mit sehr verschiedenen Materiezusammensetzungen rechnen, so dass man die Art der dunklen Materie mittlerweile ganz gut einschränken kann. Leichte Teilchen wie Neutrinos, sogenannte Hot Dark Matter, kommen nicht als ernsthafte Kandidaten in Frage, da die heute beobachtbare Struktur der Verteilung der Galaxienhaufen damit nicht reproduzierbar ist. Die wahrscheinlichsten Kandidaten sind noch unbekannte, massereiche Elementarteilchen mit Namen WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles - schwach wechselwirkende massereiche Teilchen) und massarme Axionen. Die Suche nach diesen Teilchen ist eine der Aufgaben des grossen Teilchenbeschleunigers am CERN unter Genf, dem Large Hadron Collider (LHC).

Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrtausends sorgte eine weitere Entdeckung für Stirnrunzeln unter den Physikern. Saul Perlmutter, der Leiter des Supernova Cosmology Project am Lawrence Berkeley National Laboratory, stellte seine Ergebnisse der Untersuchung weit entfernter Supernovae vom Typ 1A vor: sie zeigten eine Beschleunigung der Expansion des Universums. Bis dahin war man von einer sich verlangsamenden Expansion des Universums ausgegangen. Eine weiteres Team, das High-z Supernova Search Team, geführt von Brian Schmidt vom Mount Stromlo Observatory in Canberra, Australien, erhielt das gleiche Resultat.

Diese Entdeckung belebte die Diskussion um einen Parameter in den Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie aufs Neue. Der Lambda-Parameter, einst von Einstein eingeführt, weil er von einem statischen Universum ausging und nach der Entdeckung der Expansion des Weltalls durch Edwin Hubble von Einstein als "meine grösste Eselei" bezeichnet, beschreibt eine hypothetische Energieform. Diese Energie äussert sich als negativer Druck und wirkt auf grossen Distanzen als Gegenkraft zur Gravitation. Auch ein Teil der Dunklen Materie kann durch diese Energie erklärt werden. Es gibt ein konkurrierendes Modell: die Quintessenz, ein Feld, dessen Energiedichte räumlich und zeitlich variabel ist. Unterscheiden können wir zwischen diesen Alternativen erst, wenn durch zahlreiche hochgenaue Messungen von Supernovae die Geschwindigkeitsänderungen der Expansion des Universums genau bekannt sind. Das wird noch mehrere Jahre auf sich warten lassen.

Andreas Kronawitter


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Otto J. Pilzer, 2006-12-01