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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema April 2007: "Leises Rauschen im Hintergrund"

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Die Grafik zeigt die Entwicklung des Universums von den Quantenfluktuationen unmittelbar nach dem Urknall über die Inflationsphase zur kosmischen Hintergrundstrahlung, die nach 400000 Jahren entstand. Danach folgt die "Dunkle Ära", die durch das Aufblitzen der ersten Sterne nach etwa 400 Millionen Jahren beendete wurde. Seither haben sich in knapp 14 Milliarden Jahren die Galaxien, Sterne und Planeten gebildet und entwickelt, die wir heute beobachten können. Quelle: NASA/WMAP Science Team
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Wenn Sie diese Seite lesen, haben Sie wahrscheinlich schon das ein oder andere Mal den unbewölkten Nachthimmel beobachtet. Sicherlich ist Ihnen dabei der ein oder andere Stern aufgefallen - an einem dunklen Ort könnten es sogar ein paar Tausend gewesen sein. Auch der Mond und vielleicht der ein oder andere Planet ist Ihnen ins Visier gekommen. Mindestens mit der Sonne oder der Erde haben Sie aber in jedem Fall Erfahrungen gemacht. Allen diesen Objekten gemeinsam ist, dass sie aus Materie bestehen. Physiker nennen diese Art der Materie "baryonische Materie". Und diese Materie ist offensichtlich sehr ungleichmässig verteilt: Ausserhalb der Erdkugel finden wir, von ein paar Satelliten abgesehen, bis zum Mond erst einmal nicht viel. Im Sonnensystem steckt 99 % der Materie in einem Objekt, der Sonne, und das restliche Prozent verteilt sich auf sieben weitere Planeten sowie ihre Monde und diverse Kleinkörper, deren Entfernungen sich in Millionen von Kilometern messen lassen.

Noch extremer wird es, wenn wir die leeren Räume zwischen den Sternen betrachten: lichtjahreweise Nichts. Dabei sind die Sterne in der Milchstrasse von verhältnismässig dicht gepackt: im intergalaktischen Raum finden wir kaum noch Sterne, und wenn wir baryonische Materie finden, dann in Form extrem verdünnten Gases, dessen Dichte mehrere Grössenordnungen unter dem "Hochvakuum" der irdischen Labors liegt.

Heute ist das Universum also sehr unregelmässig aufgebaut.

Am 30. Juni 2001 startete auf einer Delta II Trägerrakete eine Raumsonde namens WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe). Am 1. Oktober 2001 kam sie an ihrem Arbeitsort, dem sogenannten äusseren Lagrange Punkt (auch als L2 bezeichnet) an, um mindestens 6 Jahre lang die Unregelmässigkeiten der kosmischen Hintergrundstrahlung zu erforschen. Die Sonde ist nach dem Physiker David Todd Wilkinson benannt, einem der Pioniere der Erforschung der Hintergrundstrahlung.

WMAP war nicht die erste Raumsonde, die die Hintergrundstrahlung untersuchte: COBE kartografierte zwischen 1989 und 1992 bereits den Mikrowellenhimmel. WMAP verfügt allerdings um eine 45 mal höhere Sensitivität und 33 mal bessere räumliche Auflösung. Es kann damit Temperaturunterschiede von 20 millionstel Grad messen. Diese extrem hohe Messgenauigkeit ist dringend nötig: der kosmische Mikrowellenhintergrund ist extrem gleichförmig. WMAP wird auch nicht die letzte solche Sonde sein: dieses Jahr startet das europäische Planck-Raumschiff, das nochmals einen Faktor drei genauer messen wird.

Was hat das eine - die unregelmässige Verteilung der Materie im heutigen Universum - mit dem anderen - der höchst gleichmässigen Verteilung der Hintergrundstrahlung zu tun? Ganz einfach: erstere ist aus zweiterer entstanden. Bildlich gesprochen entstand aus etwas sehr Glattem etwas sehr Raues. Den dazu nötigen Prozess nennt man "Strukturentstehung" - es ist letztlich die Frage, woher wir kommen: die Milchstrasse, die Sonne, die Erde und alles darauf.

Holen wir ein wenig aus, um das besser zu verstehen. In der heissen Phase, die etwa bis dreihunderttausend Jahre nach dem Urknall dauerte, war die Materie und die Strahlung eng miteinander verkoppelt, so dass sich Unregelmässigkeiten schnell ausgleichen konnten. Am Ende der heissen Phase jedoch entkoppelten sich die Materie und das Licht voneinander - von nun an können sich Störungen verstärken.

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Das Bild zeigt die kosmische Hintergrundstrahlung, wie sie etwa 400000 Jahre nach dem Urknall "eingefroren" wurde und vom WMAP-Raumschiff aufgenommen wurde. Die Farbunterschiede markieren Temperaturschwankungen von weniger als einem hunderttausendstel Grad. Quelle: NASA/WMAP Science Team
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Genau das Ende dieser Heissen Phase können wir mit Raumsonden wie COBE, WMAP und Planck beobachten. Wir sehen also damit die Startposition unserer "bekannten Welt". Wie erwähnt, ist diese Ausgangslage bemerkenswert gleichförmig: die Unterschiede lassen sich als Temperaturdifferenzen von weniger als einem hundertausendstel Grad messen. Die folgende Zeit wird als die "Dunkle Zeit" bezeichnet, da wir bis zur Entstehung der ersten Sterne und Galaxien kein Lichtsignal empfangen können, das uns Auskunft über die weitere Entwicklung geben könnte. Eines steht jedoch fest: aus der gleichmässig verteilten "Ursuppe" hat haben sich klumpige Strukturen gebildet, und dieser Prozess hält bis heute an.

Diese "Strukturentstehung" ist von wenigen physikalischen Grössen beeinflusst. Mit WAMP konnte die Genauigkeit der Messung dieser Grössen drastisch verbessert werden. So hat die Zusammensetzung des Universums einen Anteil der baryonischen Materie (also der uns bekannten Materie in unserer direkt wahrnehmbaren Umgebung) von nur 4 %. Die sogenannte "Dunkle Materie", die kein Licht ausstrahlen oder aufnehmen kann, macht 23 % der Gesamtmasse aus. Der weitaus grösste Teil ist die sogenannte "Dunkle Energie" mit 73 %. Von den beiden letzten wissen wir lediglich, dass es sie gibt und wieviel sie ausmachen, aber nicht, was sie eigentlich sind.

Weil Forscher jedoch ungelöste Fragen beantworten wollen, ist die detaillierte Analyse der Ausgangsbedinungen, die mit WMAP aufgezeichnet wurden und mit Planck noch verfeinert werden, von grosser Bedeutung. Mit der Kenntnis dieser Ausgangsbedinungen können die physikalischen Eigenschaften der Dunklen Materie und der Dunklen Energie eingegrenzt werden, so dass gezielte Untersuchungen in irdischen Labors möglich werden. Wer nicht weiss, was er sucht, hat es ja viel schwieriger, es zu finden.

Andreas Kronawitter


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Otto J. Pilzer, 2007-04-01