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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema Juni 2007: "Dicke runde Alte"

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Die elliptischen Galaxien NGC 1399 (Mitte) und NGC 1404 (unten links) im Fornax-Galaxienhaufen. NGC 1399 ist eine Riesenellipse, auch cD-Galaxie genannt, mit mehr als einer Billion Sonnenmassen im Zentrum des Fornax-Haufens. Quelle: Dissertation A. Kronawitter, Universität Basel, 2000
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Finden sie kreisförmige diffuse Fleckchen am Himmel interessant, gar attraktiv? Falls ja, gehören sie zu einer Minderheit; keine Sorge, das ist nicht schlimm. Falls nein: Macht nichts, das Interessante ist selten offensichtlich.

Wir reden hier von Galaxien, elliptischen Galaxien. In der Astronomie bezeichnet man sie mit einem E und einer Zahl, die die Abplattung angibt. E0 sind kreisförmig, E7 die am stärksten abgeplattete Form. Elliptische Galaxien oder kurz Ellipsen gibt es von sehr kleinen Vertretern mit etwa einer Million Sonnen bis zu den grössten bekannten Galaxien mit mehr als einer Billion Sonnenmassen. Allein das macht sie interessant, oder reicht ihnen das noch nicht?

Galaxien wurden intensiv ab etwa 1920 untersucht, als die Astronomen realisiert hatten, dass die Milchstrasse nur eine von hunderten von Milliarden von Galaxien ist, eine ziemlich gewöhnliche noch dazu - was für viele Menschen eine Zumutung war. Edwin Hubble, ein zum Astronomen konvertierter Rechtsanwalt, beobachtete und katalogisierte hunderte von Galaxien. Nach ihrem Erscheinungsbild, der Morphologie, unterteilte er sie in die Klassen Elliptische Galaxien, Scheiben- oder Spiralgalaxien und Irreguläre Galaxien.

Verschiedenste Theorien wurden aufgestellt, wie sich diese Galaxien gebildet haben mochten. Ein Vorschlag war, dass Gaswolken kollabieren und zuerst Ellipsen bilden, die durch später aufgesammeltes Gas zu Scheibengalaxien werden. Dazu später mehr.

Viele Untersuchungen wurden in der Folge angestellt. So wurde eine Morphologie-Dichte-Beziehung gefunden. Ellipsen sind häufiger in Umgebungen zu finden, in denen sehr viele Galaxien auf engem Raum sind, Scheibengalaxien in weniger dichten Umgebungen und sogar völlig isoliert. Messungen der Lichtstärke und der Farben wurden gemacht und gegenübergestellt. So sind Ellipsen eher rot, Scheibengalaxien eher blau. Mit zunehmender Beobachtungsgenauigkeit konnten in Scheibengalaxien Gas und Sternentstehungsregionen nachgewiesen werden, die in den Ellipsen fehlen.

Das Jahr 1972 brachte einen grossen Umbruch in der Galaxien-Astronomie. Toomre und Toomre zeigten in einer - für heutige Verhältnisse erschreckend einfachen - Computersimulation, dass beim Verschmelzen von zwei Scheibengalaxien eine Ellipse entstehen kann. In der Folge wurde das "Major Merger Picture" das gängige Modell für die Entstehung von Galaxien. Mit kontrastverstärkenden Beobachtungstechniken konnten viele Galaxien in verschiedenen Phase von Zusammenstössen und des Verschmelzens beobachtet werden. Als die kosmologischen Simulationen in den neunziger Jahren mit ausreichend hoher Auflösung durchgeführt werden konnten, wurde dieses Modell scheinbar bestätigt und als "hierarchische Strukturentstehung" bezeichnet.

Ein paar kleine Probleme blieben jedoch offen. Eines davon war, dass Simulationen der Galaxienenstehung zeigten, dass grosse Scheibengalaxien sehr lange brauchen, bis sie den uns bekannten Vertretern gleichen. Demnach müssten die Ellipsen sehr jung sein, höchstens wenige Milliarden Jahre. Das wollte aber nicht recht zu ihrer roten Farbe passen, die eher ein Indiz für eine Population aus alten Sternen ist. Als man in den neunziger Jahren dann Spektralaufnahmen von Ellipsen mit guter Auflösung machen konnte und gleichzeitig die Modellierungsmethoden einen ausreichenden Stand erreicht hatten, kam ein weiteres Problem dazu: wenn die Ellipsen aus dem Zusammenstoss von Scheibengalaxien entstanden sein sollten, müssten die Sternbahnen in den Ellipsen eher kreisförmig sein, also die Sterne um das galaktische Zentrum rotieren. Tatsächlich sind sie meist jedoch radial anisotrop, das heisst, sie bewegen sich eher auf Pendelbahnen nahe am Zentrum vorbei. Nachdem diese Analysen für gut 20 verschiedene Ellipsen durchgeführt worden waren, konnten auch die Sternpopulationen genauer untersucht werden; es zeigte sich, dass die Sterne tatsächlich sehr alt sind, im Bereich von etwa 13 Milliarden Jahren. Die Ellipsen müssten also schon relativ kurz nach dem Urknall entstanden sein.

Bilder des so genannten Hubble Deep Fields, die mit dem Hubble Space Telescope aufgenommen wurden, zeigten ebenfalls, dass die ältesten sichtbaren Galaxien eher Ellipsen als Scheibengalaxien sind. Wobei man fairerweise sagen muss, dass die Bildqualität eher bescheiden ist, denn diese Galaxien sind ja sehr weit entfernt und daher nur wenige Bildpunkte gross. Jedoch, die Theorie der "Major Mergers" war nicht mehr haltbar und die hierarchische Strukturentstehung musste etwas korrigiert werden. Statt kleiner Galaxien entstehen anfangs bereits die massereichen Vertreter, die kleinen und auch die Scheibengalaxien folgen später.

Das hat weitergehende Konsequenzen. Grundlage der hierarchischen Strukturentstehung ist das Cold Dark Matter-Modell (kalte dunkle Materie), die aus so genannten WIMPs (Weekly Interacting Massive Particles = schwach wechselwirkende massereiche Teilchen) bestehen sollte. Diese Teilchen wurden bislang noch nicht im Labor gefunden. Bessere Erklärungen erhält man, wenn man "Warm Dark Matter" annimmt. Leider haben wir aber keine Kandidaten für die Substanz der Warm Dark Matter - zumindest seit sich die Hypothese von so genannten sterilen Neutrinos Anfangs 2007 zerschlagen hat.

Sie sehen also - auch ein langweiliges Äusseres kann interessante innere Eigenschaften haben.

Andreas Kronawitter


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Otto J. Pilzer, 2007-06-01