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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema September 2007: "Doppelsterne - aus eins mach zwei"

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Schematische Ansicht eines Paares sich umkreisender Brauner Zwerge unter schrägem Blickwinkel; in Wirklichkeit liegt die Ebene von der Erde aus gesehen so, dass sich die Sterne gegenseitig bedecken. Die durch die Schwerkraft aneinander gebundenen Zwerge sind sich zu nahe, um mit derzeitigen Teleskopen aufgelöst zu werden. Sich bedeckende Doppelsterne erlauben genaue Messungen ihrer Massen, Durchmesser, Oberflächentemperaturen und absoluten Helligkeiten. Quelle: http://hubblesite.org/ (NASA/ESA/STScI)
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Blickt man abends hinauf in den Nachthimmel, so sieht man abertausende von Sternen, die das gesamte Firmament überziehen. Auffallend ist, dass die vielen Lichtpunkte nicht gleichmäßig verteilt sind. Neben dem Band der Milchstraße, in denen sich viele Sterne dicht an dicht drängen, fallen auch sonst immer wieder Ansammlungen von Sternen auf. Manche Sterne stehen dabei so eng beieinander, dass sie mit bloßem Auge kaum mehr auseinander zu halten sind.

Dieses Phänomen bemerkten auch schon antike Beobachter. So enthielt bereits der Sternenkatalog des Ptolemäus um 150 n. Chr. eine Beschreibung dieser so genannten Doppelsterne. Darin heißt es über das Sternbild des Schützen: "Der Stern am Auge des Schützen, der neblig und doppelt ist". Man bezeichnete damals all die Sterne als Doppelsterne, die optisch eng beieinander stehen. Die erste neuzeitliche Beschreibung stammt von Johan Baptist Cysat, der 1619 nach der Erfindung des Fernrohrs Doppelsterne erwähnte. Diese scheinbaren oder optischen Doppelsterne zeichnen sich dadurch aus, dass zwei Sterne von der Erde aus in fast gleicher Richtung am Himmel erscheinen, die sich aber gravitativ nicht gegenseitig beeinflussen. Das bekannteste Beispiel bilden die Sterne Mizar mit einer Entfernung von 80 Lichtjahren und Alkor, das sogenannte "Reiterlein", mit einer Entfernung von ca. 81 Lichtjahren, in der Mitte der "Deichsel" des Großen Wagens. Optisch sind beide Sterne nur knapp 12 Bogenminuten voneinander entfernt, tatsächlich jedoch dürften beide Sterne soweit voneinander entfernt sein, wie unsere Sonne zu dem uns am nächsten stehenden Sternen Proxima und Alpha Centauri. Wegen dem scheinbar nur geringen Abstand eignet sich dieses System auch als "Augenprüfer", da nicht jeder diese Sterne voneinander trennen kann. Der Stern Alpha Centauri (Entfernung von der Erde ca. 4,3 Lichtjahre) bildet im Übrigen zusammen mit dem Stern Beta Centauri (Entfernung von der Erde ca. 500 Lichtjahre) im Sternbild Kreuz des Südens auf dem Südhimmel das markanteste Doppelsternsystem. Beide Sterne stehen von uns aus gesehen eng beieinander, tatsächlich aber sind sie mehrere hunderte Lichtjahre voneinander entfernt.

Neben diesen scheinbaren oder optischen Doppelsternsystemen existieren die "echten" oder physischen Doppelsterne. Diese stehen in einer engen gravitativen Beziehung zueinander, umkreisen also vergleichbar dem System Erde - Mond einen gemeinsamen Schwerpunkt. Die Umlaufzeit schwankt bei diesen "echten" Doppelsternen zwischen wenigen Stunden und mehreren tausend Jahren. Teilweise ist der Abstand zwischen diesen Sternenpaaren so gering, dass diese in materiellen Kontakt zueinander stehen, also Materie hin- und herströmen kann. Weist einer der beiden Sterne eine deutlich höhere Anziehungskraft auf, so kann dies zu einer Art "Sternenkannibalismus" führen - ein Stern "frisst" den anderen durch Absaugen von dessen Materie bildlich gesprochen "auf". In der Regel sind die Doppelsterne zum gleichen Zeitpunkt entstanden und daher gleich alt. Man schätzt, dass sich mehr als die Hälfte aller Sterne in Doppel- oder Mehrfachsystemen befinden. So besteht etwa "der Stern Alkor" tatsächlich aus drei Sternen, "der Stern Mizar" tatsächlich aus vier Sternen, die sich eng umkreisen. Begründet liegt dies anscheinend darin, dass die Eigendrehung der Gaswolken, aus denen sämtliche Sterne entstanden sind und noch immer entstehen, die Bildung solcher Doppel- oder Mehrfachsternsysteme begünstigt. Endgültige Klarheit besteht hier jedoch noch nicht. Jedenfalls stellen Sonnensysteme wie das unsere mit nur einem Zentralgestirn wohl eher die Minderheit dar.

Anders als bei den optischen Doppelsternsystemen, die mit bloßem Auge oder zumindest im Fernrohr erkannt werden können, ist die Entdeckung der "echten" Doppelsterne aufgrund ihres sehr geringen tatsächlichen Abstandes nur sehr schwer möglich. Im Jahre 1775 hat der Mannheimer Hofastronom Christian Mayer erstmals Doppelsterne als physikalisch zusammengehörige "Fixsterntrabanten" beschrieben. 1781 veröffentlichte er dann den ersten Doppelsternkatalog. Wilhelm Herrschel konnte schließlich 1800 die Existenz der physikalischen Doppelsterne endgültig bestätigen. Mit der vor allem im 20. Jahrhundert aufkommenden Spektroskopie und Photometrie konnten dann rasant neue Erkenntnisse über die Doppelsternsysteme gewonnen werden. Bei der Spektroskopie macht man sich den Dopplereffekt zu Nutze. Bewegt sich einer der beiden Sterne in seiner Umlaufbahn um den gemeinsamen Schwerpunkt auf die Erde zu, so kann man im Spektrum eine Verschiebung der Spektrallinien ins Blaue hinein feststellen. Bewegt er sich von der Erde fort, so ergibt sich entsprechend eine Verschiebung ins Rötliche. Der Dopplereffekt kann auch im Alltag wahrgenommen werden: Bewegt sich etwa ein Fahrzeug auf uns zu, so erscheinen die Töne höher, bewegt es sich von uns weg, so erscheinen die Töne niedriger. Bei der Photometrie nutzt man Helligkeitsveränderungen aus, die sich bei der Bedeckung des einen Sterns durch den anderen ergeben können. Der bekannteste Bedeckungsveränderliche ist der Stern Algol im Perseus, dessen Lichtschwankungen in einer klaren Nacht sogar mit dem bloßen Auge wahrgenommen werden können.

In den letzten Jahren tauchte vermehrt die Frage auf, ob auch in Doppelsternsystemen Planeten entstehen und dauerhaft existieren können. Anhand der neuesten Beobachtungen konnte man nunmehr zumindest den Nachweis der Existenz von Planeten in solchen Sternensystemen erbringen. Die genaue Entstehung dieser Planeten ist wie auch die vielen physikalischen Probleme, die in solchen Systemen auftreten, noch nicht geklärt. Jedenfalls dürfte es auf solchen Planeten zu dem erstaunlichen Phänomen der doppelten Sonnenauf- und -untergänge kommen.

Blicken Sie also beim nächsten Mal zum nächtlichen Sternenhimmel empor und bewundern die unglaubliche Vielzahl der Sterne, so wissen Sie nun: es sind noch viele mehr.

Stefan Poller


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Otto J. Pilzer, 2007-09-01