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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema Oktober 2007: "Kompakt, kompakter, Neutronenstern"

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Der Krebsnebel, hier in einer Aufnahme des Very Large Telescope der ESO (Paranal, Chile), ist das Überbleibsel einer Supernova-Explosion, die im Jahr 1054 zu beobachten war. In seinem Zentrum befindet sich ein Neutronenstern, der 30 Mal pro Sekunde aufblitzt. Der Pfeil markiert die Position des Pulsars.
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Sterne sind ansehnlich grosse Kugeln. Die Sonne beispielsweise hat einen Durchmesser von 1,5 Millionen Kilometern. Es gibt auch noch hundertmal ausgedehntere Sterne. Tote Sterne bescheiden sich mit weniger Raum: ein "Weisser Zwerg" ist mit zehntausend Kilometern Durchmesser etwa so gross wie die Erde, ein "Neutronenstern" bringt es auf ungefähr 20 km - wobei er zwischen 1,4 und 3 Sonnenmassen hat.

Die Neutronensternmaterie ist also extrem dicht, viel dichter gepackt als alle irdischen Stoffe. Würden wir die Erde in Neutronensternmaterie umwandeln, wäre sie noch etwa 1,5 Kubikmeter gross: sie würde mühelos in einen Kleintransporter passen. Es ist die dichteste Art von Materie, die wir kennen. In der Sprache der Physiker nennt man sie "entartete Materie", was allerdings nichts mit ideologischen Hirngespinsten zu tun hat, sondern mit dem sogenannten Pauli-Prinzip. Nach diesem Prinzip können sich in einem Stern keine Neutronen im gleichen Zustand befinden (der Zustand wird durch die Energie und den Spin bestimmt und mit "Quantenzahlen" beschrieben). Dadurch entsteht ein Druck, der der Schwerkraft entgegenwirkt, die den Stern sonst zusammenziehen würde; über einer als Tolman-Oppenheimer-Volkoff-Grenze bekannten Masse von etwa 3 Sonnenmassen gewinnt die Gravitation - der Stern kollabiert zu einem Schwarzen Loch.

Der russische Physiker Lew Landau postulierte Neutronensterne bereits 1931, ein Jahr bevor James Chadwick das Neutron entdeckte. Aber erst 1967 entdeckte Jocelyn Bell Radioimpulse eines als Pulsar benannten Objekts. Die Pulsare konnten einige Jahre später als rotierende Neutronensterne identifiziert werden. Ein Pulsar funktioniert ähnlich wie ein Leuchtturm, der einen dichtgebündelten Lichtstrahl aussendet, der noch in grosser Entfernung sichtbar ist. Ist man ausserhalb des Lichtkegels, sieht man jedoch nichts.

Pulsare können sehr schnell rotieren. Die schnellsten bekannten Pulsare drehen sich knapp tausend Mal pro Sekunde um die eigene Achse. Das stellt die Beobachter vor grosse Herausforderungen, zumal das Signal auch sehr schwach ist. Bei genaueren Beobachtungen von Pulsaren war nachzuweisen, dass die Rotationen schlagartig schneller werden können. Diese schnellen Änderungen der Rotationsperiode werden "Glitches" genannt (englisch für "Störung"). Als Ursache der Glitches konnten Pulsarbeben ausfindig gemacht werden, bei welchen die Kruste des Pulsars einbricht.

Neutronensterne entstehen als Endprodukt von gigantischen Sternexplosionen, den Supernovae, am Lebensende von massereichen Sternen. Dabei kollabiert der Kern des Sterns, wobei sich die Materie der gewöhnlichen Elemente, vor allem Eisen, Nickel und leichtere Elemente wie Silizium und Aluminium, verdichtet und in Neutronensternmaterie umwandelt. Erreicht der Kern das Regime des Pauli-Prinzips, kann er nicht weiter komprimiert werden und wird plötzlich extrem hart. Von weiter aussen auftreffendes Sternmaterial prallt zurück und wird ins umliegende Weltall geschleudert. Zurück bleibt der ehemalige Kern des Vorgängersterns als Neutronenstern, der meist schnell rotiert, da die vormals langsame Sternrotation bei der Kontraktion beschleunigt wird. Dieser Pirouetten-Effekt lässt sich bei Eiskunstläuferinnen beobachten, die anfangs langsam mit ausgestreckten Armen rotieren, mit dem Anlegen der Arme an den Körper sich aber immer schneller drehen.

Die genaue Zusammensetzung der Neutronensternmaterie ist noch nicht bekannt. Neben Neutronen können auch andere Elementarteilchen enthalten sein. Es ist theoretisch auch möglich, dass nicht Neutronen, sondern die Bestandteile von Neutronen, ein sogenanntes Quark-Gluon-Plasma, mindestens bei den massereichsten Neutronensternen den Hauptteil der Masse ausmachen. Allerdings ist es bis jetzt nicht gelungen, dies mit Beobachtungen eindeutig zu belegen.

Neutronensterne haben die stärksten bekannten Magnetfelder im Universum. Sie sind etwa zehnmilliardenfach größer als das Magnetfeld der Sonne und erreichen damit eine Stärke, die Atome verformen kann. Bei der Kollision von zwei Neutronensternen und bei den extrem schnell rotierenden "Magnetaren" ist sogar ein noch tausendfach intensiveres Magnetfeld möglich.

Oft haben Pulsare Begleiter. Dies können Planeten, Sterne oder ebenfalls Pulsare sein. An Pulsaren konnten zum ersten Mal Planenten ausserhalb des Sonnensystems nachgewiesen werden, Jahre bevor Planeten um "normale" Sterne entdeckt wurden. Nobelpreiswürdig war die Entdeckung der Physiker Russell Hulse und James Taylor, dass sich die Umlaufzeit eines Neutronensternpaars verringerte. Sie waren so in der Lage zu beweisen, dass das Neutronensternpaar Energie in Form von Gravitationswellen abstrahlt. Es handelte sich um den ersten Nachweis, dass Graviationswellen tatsächlich existieren.

Der nächstgelegene Neutronenstern von uns aus gesehen ist vermutlich die im August 2006 identifizierte Calvera im Sternbild Kleiner Bär, die in einer Distanz von 250 Lichtjahren liegt. Sofern sich Calveras noch unsichere Entfernungsbestimmung erhärtet, löst sie Geminga im Sternbild Zwillinge ab, die lange Zeit als unser nächster Neutronensternnachbar galt.

Andreas Kronawitter


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Otto J. Pilzer, 2007-10-01