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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema April 2009: "Das Space Shuttle"

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Das Space Shuttle "Atlantis" beim Start. Quelle: NASA - http://www.nasa.gov/
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Jeder hat mit Sicherheit schon einmal den beeindruckenden Start eines Space Shuttles von Cape Canaveral aus im Fernsehen gesehen, wenn die Raumfähre, angetrieben von mächtigen Raketen, in einer riesigen Staub- und Rauchwolke abhebt. Erst am 15.3.2009 begab sich die Discovery um 19.43 Uhr Ortszeit (gleich 0.43 Uhr MEZ) von Cape Canaveral auf den Weg in Richtung der Internationalen Raumstation ISS. Noch viel mehr als die Bilder der erfolgreichen Start- und Landevorgänge haben sich jedoch die Katastrophen, angefangen über die Explosion der Raumfähre Challenger am 28.1.1986 kurz nach dem Start, bei der die siebenköpfige Besatzung ums Leben kam, bis hin zur Zerstörung der Raumfähre Columbia am 1.2.2003 beim Wiedereintritt in die Atmosphäre in die Erinnerung eingebrannt.

Erste Pläne

Dabei fing alles schon Mitte der sechziger Jahre während des Wettlaufs der USA gegen die Sowjetunion zum Mond mit der Idee an, eine wieder verwendbare Raumfähre zu konstruieren. Anders als Raketen, die nur einmal verwendet werden können, sollte diese Raumfähre auch heil wieder aus dem Weltall herunterkommen und für mehrere Start- und Landevorgänge zur Verfügung stehen. Damit erhoffte man sich in erster Linie eine deutliche Reduzierung der immensen Kosten gegenüber den Raketenstarts. Doch erst nachdem die USA den Wettlauf zum Mond mit Apollo 11 im Jahr 1969 gewonnen hatten, wurden aus den anfänglichen Ideen konkrete Pläne: die NASA gab Studien in Auftrag, wie und mit welchen Kosten sich das Projekt umsetzen lassen könnte. Über Jahre hinweg kam es zu vielen Entwürfen, ohne dass sich konkrete Ergebnisse abzeichneten. Erst in den 1970er Jahren bekam das Projekt dann durch die amerikanische Luftwaffe so richtig Auftrieb, da diese größere Nutzlasten benötigte, um große und damit schwere Spionagesatelliten in die Erdumlaufbahn zu bringen. Zusätzlich sollte die Raumfähre schnell wieder an jeden Punkt der Erde landen können.

Aufbau des Shuttle-Systems

Gingen die ersten Pläne noch von einem einheitlichen Gefährt aus, so setzte sich im Jahr 1972 ein dreiteiliges Konzept durch: die bestehende Aufteilung in Orbiter (=Raumfähre), dem orangefarbenen Außentank und den beiden weißen Booster (Startraketen). Damit war zugleich klar, dass eine vollständige Wiederverwendbarkeit nicht mehr möglich war: so wird der Tank nach dem Brennschluss der Haupttriebwerke abgeworfen und verglüht in der Erdatmosphäre. Der Tank bildet zugleich die größte Komponente des Shuttle-Systems, der aus einem größeren Wasserstofftank im oberen Teil und einem kleineren Sauerstofftank im unteren Teil besteht. Da beide Gase in flüssigem Zustand vorliegen und daher auf -200 Grad Celsius gekühlt werden müssen, ist der Tank mit einer speziellen Schaumstoffmischung ummantelt. An zwei Stellen ist der Außentank mit dem Orbiter verbunden, an denen Wasserstoff und Sauerstoff zur Verbrennung in die Haupttriebwerke fließen.

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Das offene Space Shuttle "Discovery" über den Wolken aufgenommen von der Internationalen Raumstation ISS aus. Quelle: NASA - http://www.nasa.gov/
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Der Orbiter stellt das Herzstück des Shuttle-Systems dar: mit ihm werden Mannschaft und Fracht in die Erdumlaufbahn und zumindest erstere hoffentlich auch wieder wohlbehalten zurückgebracht. Insgesamt baute man fünf Orbiter in einem knappen Jahrzehnt, wovon allerdings zwei zerstört wurden: Columbia (Erstflug am 12.4.1981, am 1.2.2003 zerstört), Challenger (Erstflug am 4.4.1983, am 28.1.1986 zerstört), Discovery (Erstflug am 30.8.1984), Atlantis (Erstflug am 3.10.1985) und als "Nachzügler" Endeavour (Erstflug am 7.5.1992). Zusätzlich wurden noch zwei Modelle, die Pathfinder und die Enterprise, erstellt, die jedoch nie zum Einsatz kamen. Der Orbiter beinhaltet ein Flightdeck als Steuerungseinheit, die Mannschafts- und Transporträume sowie die Haupt- und Hilfstriebwerke. Auch die Lebenserhaltungssysteme, die dafür sorgen, dass in der Kabine ständig ein lebensfreundliches Umfeld herrscht, befinden sich im Orbiter. Die Außenbereiche des Orbiters sind mit verschiedenen, ganz speziellen Hitzeschutzschildern versehen. Insbesondere der schwarze Rumpf ist mit über 20.000 Kacheln überzogen, die eine Temperatur von bis zu 1.260 Grad Celsius aushalten. An der Nase und an den Flügelvorderkanten werden nochmals speziellere Kohlenstoffmaterialien eingesetzt, die sogar einer Temperatur von über 1.300 Grad Celsius standhalten. Eine Beschädigung an der Verkleidung der Flügelvorderkante war übrigens die Ursache für die Katastrophe der Columbia 2003, die beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühte.

Zuletzt gehören noch die beiden weißen Booster zum Shuttle-System: diese sorgen für über drei Viertel des zum Start benötigten Schubs und enthalten jeweils über 5.000 Tonnen eines auf Aluminium basierenden Feststoffbrennstoffes. Sie verfügen über eine Brenndauer von ca. 2 Minuten und werden dann auf einer Höhe von ca. 45 km abgetrennt und mittels zweier Seitentriebwerke abgestoßen. Anhand von Fallschirmen gleiten diese dann - immer noch mit ca. 80 km/h - in das Meer, wo sie geborgen und wieder verwendet werden.

Der Flug

Bereits mehrere Monate vor dem eigentlichen Start beginnen die ersten Vorbereitungen mit dem Zusammenbau der einzelnen Komponenten auf der mobilen Startplattform, mit der das Shuttle-System auch zur Startrampe gefahren wird. Ungefähr zehn Stunden vor dem Start werden die Außentanks mit dem flüssigen Wasser- und Sauerstoff befüllt. Die Mannschaft begibt sich dann ca. vier Stunden vor dem Start in den Orbiter. Ab neun Minuten vor dem Start beginnt der eigentliche Countdown: alle Vorgänge werden nun von den Computern des Startkontrollzentrums überwacht, wobei ein manueller Abbruch noch bis 31 Sekunden vor dem Start möglich ist. Danach kann nur noch mittels Computer abgebrochen werden. Die Zündung der Haupttriebwerke setzt 6,6 Sekunden vor dem Abheben ein, wodurch das gesamte Shuttle-System an der Spitze ca. drei Meter nach vorne und anschließend wieder zurückschwankt. Genau zu dem Zeitpunkt, wenn das Shuttle wieder senkrecht steht, zünden die beiden Booster und das Space Shuttle hebt ab. Wenn diese ausgebrannt und abgeworfen worden, zündet das Haupttriebwerk und nach ca. 8 1/2 Minuten Brenndauer wird der Außentank bei einer Geschwindigkeit von dann ca. 27.720 km/h und in einer Höhe von ca. 110 km abgeworfen. Mittels der Manövriertriebwerke wird dann der Zielorbit angesteuert. Zur Rückkehr aus der Umlaufbahn wird die Raumfähre entgegen der Bewegungsrichtung gedreht und die Triebwerke drei Minuten lang gezündet, wodurch sie abgebremst wird und in die Erdatmosphäre eintritt. Von dort aus gleitet sie antriebslos zur Erde, wo sie nur einen einzigen Landungsversuch hat.

Kosten, Nutzen und ein Ausblick

Ging man ursprünglich von Kosten von 10,5 Millionen Dollar pro Start aus, betragen nunmehr die tatsächlichen Kosten annähernd 1,3 Milliarden Dollar pro Start. Auch hat sich die erhoffte Startanzahl durch die zunehmende Konkurrenz an Transportmitteln (es seien nur die Ariane-Raketen der ESA erwähnt) und die erlittenen Unglücksfälle nicht eingestellt. Dennoch wurde eine Vielzahl von Satelliten in die Erdumlaufbahn verbracht und einige, wie übrigens auch das Hubble-Space-Telescope, repariert. Ferner fanden im Spacelab wissenschaftliche Experimente und Untersuchungen statt und es wurde die Internationale Raumstation ISS aufgebaut und versorgt. Insgesamt wurden in bislang 123 Einsätzen ca. 770 Millionen Kilometer (zum Vergleich: die Entfernung Erde-Sonne beträgt im Durchschnitt "nur" ca. 147 Millionen Kilometer) zurückgelegt. All das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass von den ursprünglichen Plänen nicht viel übrig geblieben ist: für den 30. September 2010 ist schließlich die Ausmusterung der Space Shuttles geplant. Jedoch gibt es bislang noch keinen adäquaten Ersatz, insbesondere für die Versorgung und einem weiteren Ausbau der Internationalen Raumstation ISS. Es bleibt daher spannend, wie es mit der bemannten Raumfahrt weitergeht!

Stefan Poller


Zum Sternenhimmel April 2009

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Otto J. Pilzer, 2009-04-01