- Astronomie im Berchtesgadener Land - Monatsthema Mai 2009: "Woher kommen die vielen arabisch klingenden Sternnamen in den Sternbildern?"Sternbild Bootes aus einer Arabischen Übersetzung des Almagest (Chester Beatty Library, Dublin) [Zum Vergrößern bitte Bild anklicken] Jeder hat sie schon mal gelesen, diese seltsamen Namen für einige hell am Himmel leuchtende Sterne: Beteigeuze, Aldebaran, Algol, Atair, Rigel, Wega. Aber woher stammen diese Namen, wer hat diesen Sternen den Namen gegeben? Auf welchen Wegen sind die Namen zu uns gekommen? Alles Fragen, auf die man so schnell keine Antwort findet. Nun könnte man spekulieren: gut, das klingt alles arabisch und die Araber mit ihren endlosen Wüsten und dunklen Nächten sind die geborenen Sternbeobachter. Auf ihren auch nachts durchgeführten Karawanen mussten sie sich ja irgendwie orientieren. Was lag da näher, als die nächtliche Bewegung der Sterne um einen zentralen Punkt am Himmel zu studieren und die gewonnenen Erkenntnisse für die Orientierung auf den Handelswegen in der Wüste zu nutzen. Aber lief alles wirklich so ab? Waren es wirklich die Araber, die den Sternen ihre Namen gaben? Zur Klärung der Geschichte muss man weit in der Zeit zurückgehen, um Näheres zu erfahren. Es ist ja bekannt, dass sich die Menschen rund um den Erdball schon in der Urzeit mit der Sternenwelt auseinandergesetzt haben. Sonne, Mond und die nächtlichen Lichter am Himmel hatten schon früh eine magische Wirkung auf die frühen Völker ausgeübt. Besonders gut erhaltene Zeugnisse dieser frühen Beschäftigung mit der Sternenwelt gibt es aus Mesopotamien. Als vor rund 5000 Jahren die Sumerer in das Zweistromland einwanderten, brachten sie ihr ganzes Wissen um Sonne, Mond und Sterne mit. Sie hatten bereits das Band der Ekliptik in 12 Tierkreiszeichen unterteilt, von denen noch vier, nämlich Stier, Löwe, Krebs und Skorpion, als Sternbilder des 21. Jahrhunderts weiterleben. Von den babylonischen Chaldäern gibt es Dokumente ihres Wissens um die Gesetzmäßigkeiten der Sternbewegungen am Himmel, besonders der rätselhaften Schleifenbahnen der damals bekannten äußeren Planeten. Die gewonnenen Erkenntnisse über regelmäßig auftretende Himmelserscheinungen wie Mondphasen, Unterschiede zwischen Sommer und Winter beim täglichen Lauf der Sonne, Aufgänge bestimmter Sterne zu bestimmten Jahreszeiten und vieles mehr führten dazu, dass sich eine Schicht der Bevölkerung, die Priesterschaft, herausbildete, die diese Erkenntnisse weiter entwickelte und über Generationen bewahrte. Das Wissen der Chaldäer wurde auch bei den im Zweistromland herrschenden Völkern, den Assyrern, den Babyloniern und den Persern, erhalten. Das Wort Chaldäer durchlief einen Bedeutungswandel. Die Chaldäer von Babylon waren jetzt die "Weisen Männer", die Priesterschaft, die Astronomen/Astrologen (Astronomie und Astrologie waren noch eins). Aus dieser Zeit sind zahlreiche Sternnamen, Sternbilder und ein Kalender überliefert. Machen wir einen Sprung zu den alten Griechen. Man kann davon ausgehen, dass die griechischen Philosophen mit den Kenntnissen der Babylonier vertraut waren. Die Griechen hatten bereits viele eigene Sternbilder, die sich zwar durchaus von den Sternbildern der Babylonier (Chaldäer) unterschieden, aber auch wesentliche Gemeinsamkeiten aufwiesen. Bereits Hipparch katalogisierte die wichtigsten Sterne des Altertums. Die Griechen des 2. Jahrhunderts v. Chr. kannten immerhin schon 48 Sternbilder. Der berühmte griechische Astronom des Altertums, Claudius Ptolemäus von Alexandrien, fasste im 2. Jahrhundert n. Chr. die Astronomie der Griechen in Tabellen und Büchern zusammen. Die späteren Übersetzer dieses Werkes ins Arabische, die muslimischen Araber, bezeichneten diese Bücher als Al-Magisti, was so viel wie "Das Grösste" bedeutet. Als Almagest tauchten die Bücher des Ptolemäus als Rückübersetzung ins Lateinische wieder auf. Nach Ptolemäus bewahrten hauptsächlich nestorianische Christen, die, vertrieben durch die byzantinische Kirche, Zuflucht in Persien und anderen östlichen Ländern suchten, das Erbe der griechischen Astronomie. Als nach 600 n. Chr. durch die gemeinsame Religion des Islam geeinte arabische Stämme aufbrachen, den Mittelmeerraum, Ägypten (mit Alexandria, das sie zerstörten) und Syrien zu erobern, kamen die Araber mit den verschiedensten Kulturen in Berührung. Im Jahre 773 n. Chr. gewährte Kalif Almansor in Bagdad einem Reisenden aus Indien, vermutlich einem nestorianischen Christen, eine Audienz. Die Neugier des Kalifen wurde geweckt durch Erzählungen des Reisenden, dass er, wie seine Freunde im Osten, Finsternisse vorhersagen konnte. Der Kalif ließ daraufhin einige der mitgebrachten Bücher ins arabische übersetzen und kam so mit dem Dezimalsystem und den Kenntnissen des Fremdlings über die Astronomie in Berührung. Andere arabische Führer taten es ihm gleich und so gelangte mit den Übersetzungen insbesondere griechischer Bücher (auch der Almagest des Ptolemäus war darunter) das Wissen der Griechen über die Araber (Mauren), die Spanien erobert hatten, in das Europa des Abendlandes. Da bei den frühen Übersetzungen der griechischen Bücher auch die Namen der Sterne und der Sternbilder ins Arabische übertragen wurden und dabei auch noch die den Arabern selbst bekannten Sternbilder und Mythen in diese Übersetzungen einflossen, kam es oft zu mehrdeutigen Ausdrücken und Namen. Die Araber brachten auch eigene berühmte Astronomen hervor, darunter den in Europa unter dem Namen Albategnius bekannten, in Damaskus in Syrien wirkenden Al-Batani. Er überarbeitete den Sternenkatalog des Ptolemäus, fügte zahlreiche Verbesserungen ein. Diese vielfältigen Übersetzungen und Überarbeitungen älterer Quellen durch die Araber kamen nun über Spanien nach Europa. Nachdem der König von Kastilien, Alfons X., die Mauren besiegt und ihnen Andalusien mit den blühenden Städten Cordoba und Sevilla abgenommen hatte, fand ein reger geistiger Austausch der Kulturen statt. Eine Gruppe christlicher Gelehrter um König Alfons bemühte sich, das Wissen der Araber zu sammeln und ins Lateinische zu übersetzen. So kamen wichtige, als verschollen geltende griechische Werke der berühmten Philosophen und Wissenschaftler des Altertums als arabische Übersetzungen wieder zum Vorschein. Auch die zum Teil heute noch gebräuchlichen Sternnamen tauchten hier auf. Allerdings führten dabei auch etliche Übersetzungsfehler zu Namen, die keinerlei arabischen Ursprung haben! Als Beispiel mag der Name Algol (Beta Pers) dienen. Obwohl das Wort arabisch ist (ra's al-gûl, Kopf der Gûl), ist der Name eine Übersetzung aus dem Griechischen (Ptolemäus bezeichnet den Stern als Gorgonenhaupt). Die arabischen Übersetzer wandelten den Namen des Sterns um in den Kopf der Gûl, die in der arabischen Mythologie einen weiblichen Dämon darstellt. Von den vielen weiteren Beispielen der Herkunftsgeschichte der arabisch klingenden Sternnamen sei noch der Begleitstern des Mizar, Alkor im Sternbild Großer Bär, erwähnt. Alkor klingt ebenfalls arabisch, ist es aber nicht. Nach Erkenntnissen von Prof. Dr. Paul Kunitzsch, der lange Jahre in Alexandria in Ägypten verbracht und ein berühmtes Buch über arabische Sternnamen herausgebracht hat, gibt es keine Form im Arabischen, welche auch nur ansatzweise mit dem Namen Alkor zu tun hat. Der Stern selbst wird auch nicht in den Katalogen des Ptolemäus geführt. Der Name Mizar selbst ist nicht arabischen Ursprungs. Die äußerst fruchtbare Begegnung des christlichen Abendlandes mit Kunst und Wissenschaft der arabischen Welt führte zu neuen Denkansätzen in der Welt des Mittelalters, die schließlich einmünden in ein Überdenken des im Abendland vorherrschenden astronomischen Weltbildes des Aristoteles. Auch die Überlieferung der arabischen Ziffern und das Rechnen im Dezimalsystem können nicht hoch genug eingeschätzt werden. Man denke nur an das schwerfällige römische Zahlensystem.
Später, im 16. Jahrhundert, bemühte sich Johann Bayer in seiner berühmten Schrift "Uranometria" Ordnung in die astronomische Welt zu bringen. Das Buch setzte Maßstäbe in der Kartographie des Himmels. Zudem besticht es durch wunderschön gezeichnete Figuren aus der griechischen Mythologie. Die von dem berühmten Dänen Tycho Brahe vermessenen Sternorte stellen das wissenschaftliche Fundament des Kataloges dar und sind genauestens eingezeichnet. Ein neues Bezeichnungssystem der scheinbaren Helligkeit der Sterne, beginnend mit dem hellsten als alpha im kleinen griechischen Alphabet, sorgt für Übersicht und Klarheit. Lange Zeit ist die "Uranometria" das Standardwerk der Astronomen, bis der berühmte deutsche Astronom Friedrich August Argelander 1843 mit der "Uranometria Nova" ein neues Zeitalter einläutet. Wer Lust und Laune hat, das wunderbar anzuschauende Buch Johann Bayers in Augenschein zu nehmen, der möge auf der Webseite: http://www.lindahall.org/services/digital/ebooks/bayer/ den Katalog anklicken! Walter Conrad
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