LOGO

- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema April 2010: "Enceladus - der geheimnisvolle Saturnmond"

[1004_monatsthema_kk.jpg]
Aufnahme von Enceladus vor der Oberfläche des Saturns mit Ringschatten der verschiedenen Ringabschnitte. Foto: NASA/ESA/JPL
[Zum Vergrößern bitte Bild anklicken]

Selten hat in jüngster Zeit der Mond eines äußeren Planeten die Aufmerksamkeit der Astronomiewelt mehr erregt als der Saturn-Trabant Enceladus. Dies ist zunächst verwunderlich, weil dieser Mond bisher weder durch besondere Bahneigenschaften noch durch außergewöhnliche physikalische Besonderheiten aufgefallen war. Entdeckt wurde Enceladus im Jahre 1789 durch den berühmten Astronomen William Herschel. Dieser wurde übrigens in Hannover als Friedrich Wilhelm Herschel geboren, floh in jungen Jahren nach England und entdeckte erst nach gut einem Jahrzehnt, das er unter anderem als Musiker, Mathematiker und Konstrukteur von Optiken in England verbrachte, seine Neigung zur Astronomie, war also gewissermaßen ein Amateurastronom. Schlagartig berühmt wurde er im Jahre 1781 durch die Entdeckung des Planeten Uranus, die Royal Society of London wählte ihn zu ihrem Mitglied und er blieb bis zu seinem Lebensende in England.

Enceladus ist mit 499 km Durchmesser der sechstgrößte Mond des Saturns. Bei einer Umlaufzeit von 1,37 Tagen umrundet er den Planeten in durchschnittlich 238 000 km Entfernung auf einer fast kreisförmigen Bahn ziemlich genau in der Äquatorebene Saturns. Seine scheinbare Helligkeit beträgt rund 11,5 Mag, ist also etwa so hell wie der Marsmond Phobos in günstigster Stellung zur Erde. Man braucht also schon ein leistungsfähiges Fernrohr, um Enceladus aufzuspüren. Da der Saturn zur Zeit gut zu beobachten ist, sollte man sich als Besitzer eines mindestens 8-zölligen Teleskops bei sehr gutem Seeing der Mühe unterziehen, in der unmittelbaren Nähe der Saturnringe nach Enceladus Ausschau zu halten.

Erst mit dem Auftreten der Raumsonden der NASA und deren spektakulären Aufnahmen rückten auch die Planetenmonde ins Blickfeld der Astronomen. Die Bahndaten, physikalischen Eigenschaften und Oberflächen wurden nun eingehend erforscht. Immer neue Trabanten besonders von Jupiter und Saturn wurden entdeckt, das Ringsystem von Saturn genauestens unter die Lupe genommen. Im Oktober 1997 startete die Mission Cassini-Huygens von Cape Canaveral in Florida, einer Gemeinschaftsmission von NASA, ESA und der Italienischen Raumfahrtagentur, zum 934 Millionen Kilometer entfernten Saturn. Nach mehreren sog. "Flyby's" an Venus, Erde und Jupiter trat die Sonde schließlich in eine Umlaufbahn um den Saturn ein. Seither liefert Cassini äußerst erfolgreich Bilder und Messdaten zur Erde. Und damit sind wir wieder beim Saturn-Trabanten Enceladus. Sechs nahe Vorbeiflüge im Februar (1200 km), März (500 km) und Juli 2005 (175 km), im März 2008 (23 km) und zweimal im November 2009 brachten eine Flut von Messergebnissen und Aufnahmen zur Kontrollstation der Mission, dem Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena, Kalifornien. Durch die immer näheren Vorbeiflüge wurden mehr Details der Oberfläche sichtbar, die Analysen der chemischen Zusammensetzung der äußerst schwach ausgebildeten Atmosphäre immer genauer.

Schon bei früheren Aufnahmen war klar geworden, dass Enceladus eine besonders hohe "Albedo" aufweist, die höchste je gemessene im Planetenraum! (als Albedo bezeichnet man die Rückstrahlfähigkeit von Licht einer planetaren Oberfläche). Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass die Oberfläche aus gefrorenem Wasser, z. B. aus Eisbrocken bestehen muss. Die hohe Albedo ist auch Schuld daran, dass die Oberfläche des Mondes extrem kalt ist (minus 201 Grad Celsius). Allerdings gibt es einige Regionen um den Südpol des Mondes, die wesentlich "wärmer", nämlich etwa minus 100 Grad Celsius sind. Die meisten Forscher nehmen als wahrscheinlichste Ursache für diese ungewöhnliche Erwärmung der Oberflächenschicht an, dass durch Gezeiteneinwirkung von Saturn und des benachbarten Mondes Dione, der mit Enceladus den Saturn in einer 2:1 Resonanz umkreist, Enceladus durch Reibungskräfte stark aufgeheizt wird. Außerdem umkreist Enceladus den Saturn in einer gebundenen Rotation, das heißt, er wendet dem Saturn, ähnlich wie unser Mond der Erde, immer die gleiche Seite zu, die dabei ebenfalls entstehenden Reibungskräfte erwärmen den Mond zusätzlich. Ein weiterer wesentlicher Teil der Wärmezufuhr stammt vermutlich vom radioaktiven Zerfall im Innern des Mondes. Die Energiebilanz ist damit aber noch nicht ausgeglichen, die Forscher suchen noch nach der restlichen Energiequelle, die nach den Berechnungen der Gesamtenergie fehlt. Man ist sich also noch längst nicht im Klaren, woher genau all die Energie kommt, die zur Erklärung der Phänomene der Wärmebildung auf dem Südpolargebiet von Enceladus dienen könnte.

Auf Gegenlichtaufnahmen der Cassini-Kameras ließen sich Fontänen ausmachen, die Material, ähnlich wie bei einem Geysir, in den Weltraum "spucken". Das anfänglich flüssige Wasser (oder wahrscheinlicher: Wasser-Salzgemisch) wird durch das Beinahe-Vakuum an der Oberfläche des Mondes augenblicklich in Eis verwandelt und in den Weltraum geschleudert. Die größeren Brocken fallen zurück auf die Oberfläche des Mondes, die kleinsten Partikel bleiben im Raum, umkreisen den Saturn, landen auf der Oberfläche benachbarter Monde und bilden den hauchdünnen E-Ring des Planeten Saturn.

[1004_monatsthema2_kk.jpg]
Aus der Oberfläche austretende Partikel im Gegenlicht. Dies ist eine Falschfarbenaufnahme, die Farben des Bildes entsprechen nicht den wirklichen Farben. Foto: NASA/ESA/JPL
[Zum Vergrößern bitte Bild anklicken]

Chemische Analysen mit dem Massenspektrografen an Bord der Sonde bei den nahen Vorbeiflügen haben gezeigt, dass das ausgestoßene Material aus Wasserdampf, Wassereis, Kohlendioxid und einigen organischen Stoffen wie Methan und Ammoniak besteht. Da man weiß, dass ein Ammoniak-Wasser-Gemisch den Schmelzpunkt stark herabsetzen kann, könnte dies erklären, warum ein solches Gemisch bis dicht unter die Oberfläche des Mondes flüssig bleiben kann. Die mit der Auswertung betrauten Wissenschaftler sind zwar noch sehr vorsichtig mit der Veröffentlichung von Missionsergebnissen. Man liegt aber sicherlich nicht falsch, wenn man annimmt, dass die Ergebnisse insbesondere der jüngsten Vorbeiflüge der Sonde am 2. und 21. November 2009 die Annahme erlauben, dass primitive Lebensformen wie Bakterien, wie sie auf der Erde z.B. in heißen Quellen ohne Sauerstoffzufuhr vorkommen, existieren könnten. Als Quellen für diese Geysire wurden gewisse Verwerfungen auf der Oberfläche von Enceladus ausgemacht, deren Strukturen man fantasievolle Namen gegeben hat wie "Damascus Sulcus" oder "Cairo Sulcus" (Sulcus: lateinisch: Graben, Furche). Die Risse in der Oberfläche sind bis zu 350 m tief. Aus manchen Stellen dieser "Schluchten" treten dann die Geysire auf.

[1004_monatsthema3_kk.jpg]
Region "Damaskus Sulcus", am 2. Nov. 2009 aus 103 km Höhe aufgenommenes Bild von Cassini. Aus Verwerfungen wie dieser schleudern Geysire Wassereis in den Weltraum. Foto: NASA/ESA/JPL
[Zum Vergrößern bitte Bild anklicken]

Also doch Leben auf einem nahen planetaren Himmelskörper? Sicherlich ist es noch zu früh für derartige Aussagen, da die Messdaten noch längst nicht alle interpretiert worden sind. Aber man kann durchaus gespannt sein, was die vollständige Auswertung der jüngsten Flyby's der Cassini-Raumsonde an Überraschungen bringen wird.

Walter Conrad


Zum Sternenhimmel April 2010

Zu den anderen Monatsthemen


[AAL] Zurück zur Home Page der AAL
Otto J. Pilzer, 2010-04-01