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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema Februar 2012: "Wie groß sind Spiralgalaxien wirklich?"

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ESO-Aufnahme der Spiralgalaxie NGC 253 im Sternbild Sculptor, auf der das beschriebene Galaxienpaar durch einen Pfeil gekennzeichnet ist.
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Wenn wir im Fernrohr eine Galaxie betrachten, dann sehen wir nur ihren Kern und erst lang belichtete Aufnahmen zeigen uns auch die Spiralarme. Je länger belichtet wird, umso ausgedehnter werden diese. Aber natürlich gibt es auch da eine Grenze. Es stellt sich die Frage: Ist das was wir dann sehen auch schon alles?

Natürlich wissen wir inzwischen, dass da noch mehr ist. Wir haben von Dunkler Materie und vielleicht sogar auch von Dunkler Energie gehört, die ja den größten Teil des Universums bilden. In den Modellen besteht das Universum zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ca. 13,7 Milliarden Jahre nach dem "Urknall", zu 72% aus Dunkler Energie, zu 23% aus Dunkler Materie und nur zu 4,6% aus der sichtbaren, baryonischen Materie. Aber Erstere entziehen sich bisher unserer Beobachtung und man ist erst dabei Methoden zu ihrem Nachweis zu entwickeln. Darum soll es uns jedoch hier gar nicht gehen. Wir beschränken unsere Frage auf die sichtbare Materie.

Galaxien enthalten nun nicht nur Sterne, sondern auch Staub und Gase. Man findet sie in Spiralgalaxien hauptsächlich in den Spiral"armen", wo daraus auch neue Sterne entstehen. Der Kern der Galaxie mit seinen alten Sternen ist weitgehend frei davon. Deswegen findet auch dort keine Sternentstehung statt. Zwischen den Sternen einer Spiralgalaxie befindet sich die interstellare Materie (ISM). Sie besteht aus neutralem und ionisiertem Wasserstoff sowie aus Staub und ist ungleichmäßig verteilt, aber Dichte und Temperatur sind im Allgemeinen sehr niedrig. Nach Schätzungen setzt sich die ISM zu fast 90% aus Wasserstoff, etwa 10% aus Helium und nur zu einem Prozent aus Staub zusammen.

Während die Sterne sich durch ihre Strahlung bemerkbar machen, ist das bei Staub und Gas schon schwieriger. Sie verraten sich, wenn sie von Sternen angestrahlt werden, und zwar als hauptsächlich rote Emissionsnebel im Falle von Wasserstoff, dem häufigsten Gas im Universum, oder als vom Staub verursachte blaue Reflexionsnebel. Aber dafür müssen die Sterne nahe genug stehen, damit die Nebel leuchten, bzw. im Falle des Wasserstoffs zum Leuchten angeregt werden.

Staub und Gase in größerer Entfernung von Sternen sind viel schwerer aufzuspüren. Ist die Dichte zu gering oder die Temperatur zu niedrig, so bleiben sie im sichtbaren Licht unbeobachtbar. Dass die Gasscheiben von Spiralgalaxien weiter ausgedehnt sind als die sichtbaren Sternscheiben, ist schon länger bekannt. Dies gelang durch die Beobachtung des atomaren Wasserstoffs (H-II Gebiete). Auch Staub kann im Infraroten gefunden werden, aber nur, wenn seine Temperatur nicht zu niedrig ist. Der Begriff Wärmestrahlung, der dabei verwendet wird, ist hier allerdings relativ. In Gebieten der Sternentstehung herschen 20 bis 50 Kelvin, das sind etwa -230° Celsius. Trotzdem leuchtet der Staub da im Infraroten. Da unsere Atmosphäre für das Infrarote weitgehend undurchlässig ist, werden dafür vor Allem die Infrarotteleskope auf den Satelliten IRAS, Planck, Herschel und Spitzer eingesetzt. Wenn aber die Temperatur des Staubes noch niedriger ist, so versagt diese Möglichkeit. In diesem Fall bleibt noch die Alternative, dass der Staub eine Lichtquelle, die hinter ihm liegt, schwächt. Gerade diese Eigenschaft des Staubs ist eines der Hauptprobleme bei der Bestimmung der absoluten Helligkeit und der Entfernung von Sternen und Galaxien, da sich auch zwischen den Galaxien intergalaktische Materie, bestehend aus Gasen und Staub, befindet.

Vor kurzem ergab sich ein gutes Beispiel für diese dritte Möglichkeit: Eine flächige Lichtquelle beleuchtet eine Galaxie von hinten und zeigt damit unzweifelhaft an, wie weit hinaus der Staubring um eine Spiralgalaxie reichen kann.

Das Hubble Space Teleskop nahm die Umgebung der nahen, ca. 11 Millionen Lichtjahre (LJ) entfernten Spiralgalaxie NGC 253 im südlichen Sternbild Bildhauer (Sculptor) auf, um einen Überblick über Sternpopulationen und die Zahl der Kugelsternhaufen im Halo dieser Galaxie zu bekommen. Auf einer dieser Aufnahmen fanden sie zufällig fünf Galaxien, von denen sich zwei überlappen. Die besondere Lage, dass die Vordergrundgalaxie, eine bisher unbenannte Zwergspiralgalaxie (Zsp), gerade halb vor der Hintergrundgalaxie mit dem etwas sperrigen Namen 2MASX J00482185-2507365 liegt, führte den besonderen Sachverhalt, der diese Entdeckung so wichtig macht, sofort vor Augen. Man sieht, wie weit außerhalb von dem sonst sichtbaren Teil von Zsp die Hintergrundgalaxie durch Staubmassen abgedunkelt wird. Auf der anderen Seite dagegen, vor dem dunklen Himmelshintergrund, ist nichts davon zu sehen.

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Die überlappenden Spiralgalaxien, wobei die Hintergrundgalaxie mehr als doppelt so weit entfernt ist wie die Zwerggalaxie im Vordergrund. (Hubble-Aufnahme)
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Im Vordergrund des Bildes sieht man Sterne aus dem Halo unserer Milchstraße und der Galaxie NGC 253. Ungefähr 300 Millionen LJ dahinter liegt die kleine unbenannte Galaxie Zsp als Vordergrundgalaxie und etwa 800 Millionen LJ entfernt die Hintergrundgalaxie, die mit unserer Milchstraße vergleichbar ist. Da die Hintergrundgalaxie sehr gleichmäßig ist, fallen die Staubwolken der Vordergrundgalaxie deutlich auf.

Die Forscher vom Space Telescope Science Institute in Baltimore, denen dieses Galaxienpaar aufgefallen war, berechneten auch wie ausgedehnt unsere Milchstraße wäre, wenn die Verhältnisse hier gleich sind. Ihre Staubarme sollten dann 100000 LJ weit in den Raum hinausreichen, sie wäre damit doppelt so groß wie man bisher dachte.

Wie immer wirft eine neue Erkenntnis auch neue Fragen auf. So müssen die Modelle der Galaxienentwicklung erklären können, wie solche Staubmengen so weit außerhalb einer Spiralgalaxie erhalten bleiben können. Außerdem müssen viele Helligkeitsberechnungen für Objekte in der Nähe von Galaxien berichtigt werden. Ein Problem ist dabei, dass die Staubarme nicht gleichmäßig dicht sind, was die Abschätzung erschwert.

Gerardo Inhester


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Otto J. Pilzer, 2012-02-01