LOGO

- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema Juni 2012: "Ein Himmelsereignis von äußerster Seltenheit: Der Venustransit am 5./6. Juni 2012"

[1206_monatsthema_kk.jpg]
Venustransit vom 8. Juni 2004, aufgenommen von der NASA
[Zum Vergrößern bitte Bild anklicken]

In der Nacht vom 5. auf den 6. Juni findet ein äußerst seltenes astronomisches Ereignis statt: der Venusdurchgang bzw. -transit. Dabei wird die Venus als kleiner dunkler Punkt vor der Sonnenscheibe innerhalb von sechs Stunden vorüberziehen. Die letzte derartige "Minisonnenfinsternis" fand am 8. Juni 2004 statt, davor ereignete sich dieses Himmelsschauspiel im Jahr 1882. Venusdurchgänge gehören damit zu den seltensten Himmelsereignissen überhaupt. Sie können maximal zweimal in einem Jahrhundert auftreten - oder auch gar nicht, wie im letzten Jahrhundert. Sie finden dabei jeweils immer um den 7. Juni oder den 8. Dezember statt. Seit Erfindung des Fernrohrs gab es damit erst sieben Venustransits, wobei sich die Beobachtung äußerst schwierig gestaltete. So gab es bis zum Ende des 17. Jahrhunderts nur zwei Menschen, die den Venustransit beobachten konnten! Auch später haben nur wenige Astronomen einen Venustransit selbst gesehen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts und dann 2004 bestand für einige Interessierte die Möglichkeit, dieses Naturschauspiel zu beobachten. Am 5./6. Juni 2012 bietet sich nun für uns die letzte Chance, dieses Himmelsereignis zu verfolgen!

Wie entsteht nun so ein Venusdurchgang vor der Sonne?

Die Venus läuft auf ihrer Bahn in 225 Tagen einmal um die Sonne, ihr mittlerer Abstand beträgt dabei knapp 108 Millionen Kilometer. Der Abstand der Erde von der Sonne bemisst sich auf rund 150 Millionen Kilometer, ihre Umlaufzeit beträgt bekanntermaßen 365 Tage. Jeweils nach 584 Tagen überholt dann Venus die Erde auf der Innenbahn. Zu diesem Zeitpunkt könnte also immer ein Venusdurchgang vor der Sonne stattfinden, da sich Sonne, Venus und Erde in einer Linie befänden. Bei dieser Konstellation spricht man auch von "unterer Konjunktion". Dass es aber nicht immer zu einem Venustransit kommt liegt daran, dass Venus und Erde in unterschiedlichen Ebenen um die Sonne laufen. Die Venusbahn ist um 3,4° zur Erdbahnebene geneigt. Gewöhnlich zieht Venus in unterer Konjunktion nördlich oder südlich an der Sonne vorbei. Findet die Konjunktion aber statt, wenn sich Venus in der Nähe seines Knotens befindet, dann ist sie von der Erde aus als kleiner dunkler Punkt zu sehen, der sich von Osten nach Westen parallel zur Ekliptik über die Sonnenscheibe bewegt. Als Knoten bezeichnet man üblicherweise die Schnittpunkte der Venusbahn mit der Erdbahn (Ekliptik). Das heißt also, Sonne, Venus und Erde müssen nicht nur auf einer Linie, sondern auch ungefähr in einer Ebene liegen.

[1206_monatsthema2_kk.jpg]
Tropfenphänomen beim Venustransit, aufgenommen am 8. Juni 2004 von der NASA

Wie läuft ein Venustransit ab?

Es gibt insgesamt vier Phasen, in die man einen Venusdurchgang aufteilen kann. Diese sind: 1. Phase: erster äußerer Kontakt, wenn Venus den Sonnenrand von außen zu berühren scheint; 2. Phase: erster innerer Kontakt, wenn der Planet ganz auf der Sonnenscheibe ist, aber noch von innen den Rand berührt; 3. Phase: zweiter innerer Kontakt, wenn der Planet nach vollendetem Durchgang den entgegengesetzten Sonnenrand von innen berührt, und schließlich 4. Phase: zweiter äußerer Kontakt, wenn der Planet gerade eben verschwunden ist. Sowohl bei Beginn der 2. als auch bei Beginn der 3. Phase taucht jeweils ein besonderer Effekt auf: das sogenannte Tropfenphänomen. Sobald sich die Venus ganz auf der Sonnenscheibe befindet und sich vom Rand zu lösen beginnt, scheint sich eine schwarze Brücke zum Sonnenrand zu bilden und die kreisrunde Venus verwandelt sich in einen Tropfen. Wandert die Venus dann weiter, reißt diese Verbindung plötzlich ab. Das gleiche Schauspiel vollzieht sich auch unmittelbar vor Beginn der 3. Phase, wie auf dem obenstehenden Bild zu erkennen ist. Dieses Phänomen macht die genaue Bestimmung dieser beiden Kontaktdaten so schwierig. Früher erblickte man darin die Auswirkung für die dichte und dicke Atmosphäre der Venus. Inzwischen aber weiß man, dass dieser Effekt durch das begrenzte optische Auflösungsvermögen des verwendeten Teleskops hervorgerufen wird. Aufgrund der Welleneigenschaften des Lichtes besitzt jedes Teleskop eine maximale Auflösung. Letztere ist dabei umso besser, je größer die Objektivöffnung eines Teleskops ist, und dementsprechend besser können auch Details abgebildet werden. Entfernt sich die Venus während des zweiten Kontaktes vom Sonnenrand, kann - je nach Auflösungsvermögen - nicht unterschieden werden, ob ein Detail zur Venus oder zum dunklen Sonnenrand gehört. Dadurch bildet sich scheinbar eine Art dunkle Brücke aus und es entsteht ein Tropfen. Selbiges tritt auf, wenn sich die Venus während des dritten Kontaktes dem Sonnenrand wieder nähert.

Dieses Phänomen war für die Astronomen katastrophal, hoffte man doch anhand der Beobachtung des Venustransits die Astronomische Einheit (AE) als Entfernung zwischen Erde und Sonne zu bestimmen. Kennt man nämlich die Astronomische Einheit, so können anhand dieser dann auch alle anderen Distanzen zwischen den Planeten bis hin zu den Fixsternen berechnet werden. Will man also die Größe des Universums wissen, muss man die Astronomische Einheit genau bestimmen. Hierzu brauchte man exakte Beobachtungsdaten vom Venusdurchgang. Trotz aller Bemühungen scheiterte dies am Tropfenphänomen, da dieses die Messung der genauen Kontaktzeiten verhinderte. Erst 1931 ließ sich die Astronomische Einheit ermitteln, aber nicht anhand der Venus, sondern durch Beobachtung des Asteroiden Eros.

Wie, wann und wo lässt sich der Venusdurchgang beobachten?

Das Wichtigste gleich vorneweg: Bei Beobachtungen der Sonne ist IMMER GRÖßTE VORSICHT GEBOTEN. DAS AUGE MUSS GUT GESCHÜTZT WERDEN! Dies gilt umso mehr, als im Gegensatz zum Merkurdurchgang sich die Venus bei ihrem Transit bereits mit bloßen Augen als dunkler Punkt vor der Sonne ausmachen lässt. Das liegt daran, dass der scheinbare Durchmesser des Venusscheibchens am 5./6. Juni eine knappe Bogenminute beträgt und es daher das Auge ohne weiteres auflöst. Für die Beobachtung ist eine Sonnenfinsternisbrille empfehlenswert, wie sie etwa bei der totalen Sonnenfinsternis von 1999 verwendet wurde. Man soll dabei auf die Qualitätsgarantie achten (CE-Prüfzeichen muss vorhanden sein). Völlig ungeeignet sind dagegen die oft angepriesenen "Hausmittel" wie doppelt oder dreifach getragene Sonnenbrillen, berußte Glasscheiben oder belichtete Filme. Davon soll man seine Finger lassen.

Ebenso ist eine indirekte(!) Beobachtung mit einem Fernglas problemlos möglich. Auch kleine, langbrennweitige Refraktoren (Linsenteleskope) sind dafür hervorragend geeignet. Die Objektivöffnung sollte sechs Zoll (=15cm) nicht überschreiten, wenn man mit der Projektionsmethode arbeitet. Dabei wird das Sonnenbild auf einen weißen Schirm (steife Pappe, Blech o.ä.) projiziert, der hinter dem Okular möglichst stabil angebracht wird (im rechten Winkel zur optischen Achse). Mehrere Beobachter können so gleichzeitig den Venustransit verfolgen. Die Projektionsmethode ist eine weitgehend sichere Art, die Sonne zu beobachten. Auch hier gilt: der ungeschützte, direkte Blick in die Sonne muss unbedingt vermieden werden. Dieser kann zu schweren Schädigungen des Augenlichts oder gar zur Erblindung führen. Deshalb muss beim direkten Beobachten der Sonne mit einem Fernglas oder Teleskop immer eine Sonnenschutzfolie vor dem Objektiv angebracht werden! Zu guter Letzt sollte darauf hingewiesen werden, dass durch die Projektion hochwertige Okulare bei Ferngläsern oder Teleskopen durch die entstehende Wärme an der Verkittung Schaden leiden können.

Von uns aus kann dieses Mal leider nur die Schlussphase des Venustransits betrachtet werden. Der erste wie auch der zweite Kontakt findet noch zur Nachtzeit statt, erst mit Sonnenaufgang um kurz vor fünf Uhr früh MESZ kann mit der eigentlichen Beobachtung begonnen werden. Der dritte Kontakt ist um ca. halb sieben Uhr zu sehen, der vierte Kontakt schließlich um kurz vor sieben Uhr. Wer den ganzen Transit beobachten will, muss sich in Richtung China, Japan, Australien oder Neuseeland aufmachen. Oder man fliegt gleich auf Hawaii. Wer nicht so weit weg fahren will, dem sei Island ans Herz gelegt. Dort findet ein ganz besonderes Himmelschauspiel statt: Nach dem ersten und zweiten Kontakt sinkt die Sonne kurz unter den Horizont, ehe sie sich wieder aus dem Nordmeer erhebt; es ist die Zeit der Mittsommersonne.

Man kann nur hoffen, dass am 5./6. Juni gute Wetterbedingungen sind, denn den nächsten Venustransit wird von uns wahrscheinlich niemand mehr erleben. Erst am 11. Dezember 2117 ist es wieder soweit, der nächste von Mitteleuropa aus beobachtbare Venusdurchgang findet gar erst am 8. Dezember 2125 statt. Daher viel Erfolg beim Beobachten!

Manfred Mayer und Stefan Poller


Zum Sternenhimmel Juni 2012

Zu den anderen Monatsthemen


[AAL] Zurück zur Home Page der AAL
Otto J. Pilzer, 2012-06-01