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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema September 2013: "Indirektes Sehen in der Astronomie"

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Querschnitt durch ein linkes menschliches Auge (Blick von oben).
Quelle: Wikimedia commons

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In der Literatur für Amateurastronomen taucht gelegentlich ein Ratschlag auf, wie man den Sinneseindruck beim Betrachten des nächtlichen Himmels stark steigern kann. Gemeint ist die Methode des indirekten Betrachtens von Sternhaufen und Nebel entweder mit freiem Auge oder durch das Okular eines Fernrohres.

Beobachtet man ein helles Objekt wie den Mond, so wird unbewusst das Auge so ausgerichtet, dass der Mond "voll im Blick" ist, d.h. das Abbild des Mondes wird auf der Netzhaut des Auges mit größter Sehschärfe abgebildet und wir haben den Eindruck eines scharfen Bildes vom Mond. Wendet man diese Betrachtungsweise auf schwache Objekte des Nachthimmels wie den Orionnebel an, so wird man sich schwer tun, ein ordentliches Abbild im Auge zu erzielen. Das liegt daran, dass der Nebel auf der Netzhaut des Auges mit einer ungleich geringeren Beleuchtungsstärke auf die Sehzellen trifft und deshalb die Umrisse und die Struktur des Nebels mit dem Auge kaum zu identifizieren sein werden.

Nun gibt es aber die oben erwähnte Methode, die eine starke Sinnessteigerung ermöglicht. Blicken Sie nämlich leicht an einem schwachen Nebel vorbei, so werden Sie sehen, dass dieser scheinbar dem Auge heller erscheint! Was passiert da? Sie sind nicht einer Sinnestäuschung erlegen, sondern haben gewissermaßen das Auge überlistet, die Physiologie des Auges zu Ihren Gunsten genützt.

Um diesen Effekt etwas mehr zu beleuchten, müssen wir uns näher mit der Physiologie des menschlichen Auges beschäftigen.

Das Bild am Beispiel des Mondes gelangt über die Hornhaut und Linse des Auges auf die Netzhaut (Retina). Ähnlich wie bei einem Fernrohr wird ein verkleinertes und umgekehrtes Abbild des Mondes erzeugt und zwar um einen Bereich der Netzhaut herum, den man den Gelben Fleck (macula lutea) nennt. Dort ist auf engstem Raum eine riesige Menge von Zapfen-Zellen (mehr als 7 Millionen), aber auch eine geringere Zahl von Stäbchen-Zellen konzentriert. Weiter außerhalb des Gelben Flecks trifft man dann hauptsächlich Stäbchen-Zellen (120 Millionen) an. Der Clou der Sache ist nun, dass die Zapfen-Zellen in der Senke des Gelben Flecks (fovea centralis) sehr dicht nebeneinander angeordnet sind und jede Zelle mit einem Sehnerv gekoppelt ist. Die Bildauflösung ist hier maximal. Die außen liegenden Stäbchen-Zellen hingegen sind weniger dicht angeordnet und zudem sind mehrere Stäbchen mit einem Sehnerv gekoppelt, so dass die Bildauflösung stark reduziert wird! Dass aber auch hier noch einige wenige Zapfen-Sehzellen vorhanden sind, kann man leicht mit einem kleinen Experiment nachweisen. Hält man nämlich in einem Winkel von sagen wir 45 Grad außerhalb der Sehachse eine Farbfläche hin, so zeigt sich, dass man diese in Farbe und nicht nur in Grau sieht.

Das alles erklärt zunächst noch nicht wirklich, warum man beim indirekten Sehen den Nebel heller wahrnimmt. Der Grund für dieses Phänomen ist die unterschiedliche Photoempfindlichkeit von Stäbchen- und Zapfen-Zellen. Die Stäbchen sind wesentlich empfindlicher als die Zapfen. Zudem findet durch das Zusammenführen von mehreren Stäbchen zu einem Sehnerv in den Randbereichen der Netzhaut gewissermaßen eine Lichtverstärkung statt. Ein weiterer Grund ist die unterschiedliche Lichtempfindlichkeitskurve der Sehzellen. Beim nachtadaptierten Auge haben die Stäbchen ein Maximum bei Grün (Wellenlänge 507 Nanometer nm), Zapfen bei Grün-Gelb (Wellenlänge 555 nm). Vereinfacht gesagt, wird das Nervensignal der Stäbchen von der Sehverarbeitung des Gehirns als Schwarz-Weiss-Sehen (monochromatisch), das der Zapfen als Farb-Sehen interpretiert.

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Abb. A: Blickrichtung direkt zum Objekt (Nebel)
Abb. B: Indirektes Sehen links am Objekt (Nebel) vorbei
Quelle: Eigengrafik

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Das Bild soll erläutern, was beim Indirekten Sehen (hier dargestellt mit dem linken Auge) geschieht. Bei der Abb. A blickt das Auge direkt auf das Objekt (der schwarze Pfeil zeigt die Blickrichtung an). Das Abbild wird hauptsächlich von den Zapfen erzeugt, ist in Farbe (bei entsprechend heller Vorlage) und ist scharf. Bei der Abb. B zielt das Auge links am Objekt vorbei. Das Abbild des Objektes auf der Retina liegt auf den Stäbchen, wird vom Gehirn als Schwarzweiß signalisiert, ist unscharf und wird bedeutend heller wahrgenommen.

Aus den Bildern wird auch klar, dass es nicht egal ist, ob man links oder rechts am Objekt vorbei zielt. Zielt man nämlich mit dem linken Auge rechts am Objekt vorbei, dann kann es passieren, dass das Abbild auf dem blinden Fleck des Auges landet und man erkennt nichts mehr vom Nebel. Der Blinde Fleck ist diejenige Region der Netzhaut, an der die gebündelten Sehzellen das Auge nach hinten verlassen. Hier befinden sich keine Rezeptoren, das Bild kann dort nicht verarbeitet werden. Der Blinde Fleck befindet sich anatomisch etwa 15 Grad nasenwärts der Fovea, wegen der Umkehrung des Bildes ortet man diesen Fleck aber 15 Grad schläfenwärts! Diese Überlegung gilt natürlich nur für den Fall, dass man mit einem Auge beobachtet, beispielsweise beim Blick durch ein Okular des Fernrohres. Wenn man das rechte Auge benutzt, sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Blickt man beidäugig durch ein Fernglas, so stellt sich beim indirekten Sehen der Effekt ebenfalls ein, allerdings sollte man das Blickfeld so ausrichten dass der Blinde Fleck (dann nur mit jeweils einem Auge wahrnehmbar) vermieden wird.

Beim Suchen nach dem richtigen Winkel, mit dem man am Objekt vorbeizielt, muss man Geduld aufbringen und einige Versuche starten, weil nicht jedes Auge gleich ist. Die meisten Quellen geben einen Winkel von 25 Grad (manche auch von 10 Grad) an, bei dem man die besten Ergebnisse erzielt. Dabei ist es nicht entscheidend, ob man nach unten oder oben vorbei zielt.

Ich hoffe, dass es Ihnen anhand dieser kleinen Erläuterung gelingt, mithilfe des indirekten Sehens den Genuss beim Erkunden der vielen Galaxien und Nebel am nächtlichen Himmel zu steigern. Sie sollten dabei auch nicht vergessen, dass unser menschliches Auge mit so viel phantastischen Eigenschaften ausgestattet wurde, die uns erst ermöglichen, diese Wunder im Weltall in uns aufzunehmen.

Walter Conrad


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Otto J. Pilzer, 2013-09-01