- Astronomie im Berchtesgadener Land - Monatsthema August 2011: "Frauen in der Astronomie - Teil I: Kaum verlässliche Quellen aus der Antike"Wer sich näher mit Astronomie beschäftigt, dem kommen Namen in den Sinn wie Galileo Galilei, Johannes Kepler, Tycho Brahe, Edwin Hubble, vielleicht auch Johann Encke, Friedrich Wilhelm Bessel, Edmond Halley. Es fällt sofort auf, dass in dieser Liste keine Frauennamen auftauchen. Oder könnten Sie auf Anhieb Namen berühmter Frauen in der Astronomie nennen? Forscht man etwas intensiver in der Literatur nach, so findet man heraus, dass es dennoch Frauen gegeben hat, die ihr Leben der Astronomie verschrieben haben. Anlass genug, sich einmal näher mit diesen berühmten Frauen der Astronomiewelt zu beschäftigen.
Hypatia von Alexandria (355-415)
Über das Leben und insbesondere das Werk der Hypatia gibt es kaum verlässliche Quellen. Ihr Vater war der Astronom und Mathematiker Theon von Alexandria. Berühmt wurde er durch die Bearbeitung von Euklids "Elemente" (alle Euklid-Übersetzungen bis ins 19. Jahrhundert basierten auf dieser redaktionellen Bearbeitung). Außerdem gab er einen elfbändigen Kommentar zu Ptolemäus' Almagest heraus. Vermutlich hat der Vater schon früh Hypatias Interesse für die antiken Wissenschaften geweckt. Er unterrichtete sie in Mathematik, parallel dazu studierte sie Philosophie und Astronomie. Nach Beendigung ihrer Studien wurde sie auf den Lehrstuhl für platonische Philosophie am Museion von Alexandria berufen. Ihre Vorlesungen erlangten Berühmtheit bis weit über die Grenzen von Alexandria hinaus. Der spätantike Kirchenhistoriker Sokrates Scholastikos (Sokrates von Konstantinopel 380-450) berichtet über sie: "Es gab in Alexandria eine Frau mit Namen Hypatia, Tochter des Philosophen Theon, die in Literatur und Wissenschaft so erfolgreich war, dass sie alle Philosophen ihrer Zeit übertraf. [...] Sie scheute sich auch nicht, in öffentliche Versammlungen von Männern zu gehen. Alle Männer bewunderten sie dafür auf Grund ihrer außerordentlichen Würde und Tugend um so mehr". Andere Quellen berichten, dass Hypatia auch wesentlichen Anteil an den Arbeiten ihres Vaters an der Überarbeitung des Almagest hatte. Sie soll auch die Erfinderin des Astrolabiums sein, eines Geräts, das bis ins Mittelalter als Winkelmessgerät zur Positionsmessung von Sternen diente. Hypatia wurde auf grausame Weise von fanatisierten Christen in ihrer Heimatstadt ermordet. Man kann nur spekulieren, dass sie wohl mit ihrer Lehre und ihrem selbstbewussten Auftreten zwischen die Fronten der regionalen Politik geraten war. Schwelende Machtkämpfe zwischen dem christlichen Bischof und dem weltlichen (oströmischen) Präfekten wie auch der Judengemeinde in Alexandria führten dazu, dass heftige, hauptsächlich religiöse Konflikte in der Bevölkerung ausgetragen wurden. Zu Ehren von Hypatia ist der Kleinplanet "238 Hypatia" benannt. Es kann nicht wirklich überraschen, dass über viele Jahrhunderte nichts über weibliche Wissenschaftler geschweige denn Astronomen berichtet wurde. Erst im 17. Jahrhundert tauchte der Name einer Frau auf, die im Schatten des bedeutendsten Astronomen seiner Zeit stand: Sophia Brahe.
Sie war die zehn Jahre jüngere Schwester von Tycho Brahe, brachte sich in ganz jungen Jahren Kenntnisse in Chemie, Gartenbaukunst und Astronomie bei und assistierte ihrem berühmten Bruder, der die Fähigkeiten seiner Schwester hoch einschätzte, bereits im Teenager-Alter auf seiner Sternwarte. Auch nach ihrer Heirat arbeitete sie dort weiter und führte zusammen mit ihren Bruder Tycho Messungen und Aufzeichnungen von Tausenden von Stern- und Planetenpositionen durch. Da ihre (wohlhabende) adelige Familie missbilligte, dass sie sich als Wissenschaftlerin betätigte (auch gegen den astronomischen Beruf von Tycho hatte die Familie starke Vorbehalte), verweigerten ihr die Eltern Unterstützung, so dass sie und ihr zweiter Mann verarmten. Häufig musste sie ihren Bruder um Hilfe anflehen. Nachdem auch ihr zweiter Mann starb, zog sie sich zurück und verfasste eine 900-seiten lange Genealogie über den dänischen Adel. Im Zusammenhang mit der Lehre des Nikolaus Kopernikus und Johannes Kepler taucht ein weiterer Name auf. Es ist die Rede von Maria Cunitz (auch Kunitz oder latinisiert Cunitia genannt). 1610 in Wohlau, einem Städtchen in Schlesien als Tochter eines Arztes geboren, lernte Maria Cunitz früh perfekt lesen. Sie eignete sich ohne fremde Hilfe die lateinische und die französische Sprache an, erhielt Musikunterricht und bracht sich selbst bei, Noten zu lesen. Im Alter von 13 (!) wurde sie mit dem Juristen David von Gerstmann verheiratet, der ihren Wissensdrang zu fördern wusste. Wenige Jahre danach starb ihr Gatte. Sie lernte den Mathematiker und Astronomen Elias von Löwen kennen, der ihr Förderer und Lehrer wurde und den sie auch heiratete. Nach der Flucht vor den Gewalttaten des 30-jährigen Krieges nach Polen (Schlesien war ja deutsch) hatten die Eheleute endlich Muße, sich mehr der Astronomie zu widmen. Maria Cunitz pflegte regen Briefwechsel mit bedeutenden Astronomen der Zeit, u. a. auch mit Johannes Hevelius, dem berühmten Danziger Astronomen, und Ismail Boulliau, einem französischen Astronomen (sie sprach und schrieb ja fließend Französisch), der sich in besonderem Maße für Keplers Hypothese von den elliptischen Planetenbahnen um die Sonne einsetzte. Nach Studien der Rudolfinischen Tafeln von Johannes Kepler entwickelte sie bessere Methoden, um die Umlaufbahnen der Planeten zu berechnen und genauer vorhersagen zu können. In einem 2-bändigen Werk "Urania Propitia" mit lateinischer und deutscher Einleitung schrieb sie ihre Gedanken und Forschungsergebnisse nieder.
Da sich zu dieser Zeit das heliozentrische Weltbild noch keineswegs in der wissenschaftlichen Welt durchgesetzt hatte, muss man davon ausgehen, dass Maria Cunitz aufgrund ihrer Arbeiten von der Richtigkeit der Sonne als Zentrum der Planetenbahnen überzeugt war. Sie gehörte damit zu dem zahlenmäßig noch geringen Kreis der Astronomen der Zeit, die weit vorausschauend das Weltbild der Astronomie umkrempelten. Eine besonders für eine Frau der damaligen Zeit nicht ungefährliche Erkenntnis, da in den Köpfen der Menschen jede irgendwie anders geartete Sicht der Dinge verdächtig erschien und oft genug auch mit allen Mitteln bekämpft wurde. Die Hexenverbrennungen des Mittelalters waren noch nicht ganz vergessen. 1656 fielen die Briefe, Arbeitspapiere und die wissenschaftlichen Gerätschaften einem Brand, der das Wohnhaus mit der Bibliothek zerstörte, zum Opfer. Wahrscheinlich ist dies auch der Grund dafür, dass der Name dieser Frau in keiner der allgemein zugänglichen Listen bedeutender Astronom/innen vorkommt. Ein Krater auf dem Planeten Venus ist Maria Cunitz gewidmet.
Elisabetha Koopmann Hevelius (1647-1693)
wurde 1647 als Tochter von Nicolas Koopmann, einem Mitglied einer wohlhabenden Handelsfamilie, und Johanna Mennings in der Hansestadt Danzig geboren. Schon früh bekam sie eine umfassende private Ausbildung, besonders in Sprachen wie Französisch und Latein (einige ihrer späteren Briefe sind in Latein verfasst). Durch ihr frühes Interesse an der Astronomie lernte sie den zu dieser Zeit bereits berühmten Astronomen Johannes Hevelius kennen, durfte in der Sternwarte an Beobachtungen teilnehmen und heiratete schließlich 1663 den um viele Jahre älteren Mann. Zusammen mit dem Assistenten Gottfried Kirch bekam Elisabetha Hevelius eine gründliche astronomische Ausbildung bei ihrem Mann. Später übernahm sie dann als alleinige Assistentin den größten Teil der Arbeiten an der Sternwarte, gab nach dem Tod ihres Mannes drei gemeinsame Arbeiten heraus, u. a. einen Fixsternkatalog mit 1564 Sternen und einen Sternatlas mit 56 Kupferstichen, für den sie eine Widmung an den polnischen König verfasste. Elisabetha Hevelius führte die Geschäfte der berühmten Sternwarte weiter. Sie überlebte ihren Mann nur um 6 Jahre. Begraben ist sie in der Familiengruft ihres Mannes in der Katharinenkirche zu Danzig. Der Kleinplanet "12625 Koopman" und der Krater "Corpman" auf der Venus sind nach Elisabetha Hevelius benannt. Wie die Geschichte bedeutender Frauen in der Astronomie weitergeht, erfahren Sie in einer weiteren Folge. Walter Conrad
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