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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema September 2012: "Unsere Milchstraße"

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Schematische Darstellung des Milchstraßensystems. Die im Licht der H-alpha-Linie des Wasserstoffs rot leuchtenden Bereiche in den Spiralarmen sind Sternentstehungsgebiete.
(NASA/JPL-Caltech/R. Hurt)

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Wenn wir uns mit unserem Sonnensystem beschäftigen, dann stoßen wir bald auf Größen, Entfernungen, Geschwindigkeiten und Anzahlen, die unsere Vorstellungskraft übersteigen. Doch wenn wir an einem klaren, mondlosen Abend zum Himmel blicken, dann schauen wir in eine Dimension, die das alles klein erscheinen lässt. Das Band unserer Milchstraße, das sich über den ganzen Himmel erstreckt, zeigt uns einerseits, dass wir dazugehören, und andererseits, welch ein kleiner Teil davon wir sind.

Wir sehen ein schimmerndes Band und müssen uns vorstellen, dass es sich dabei um Milliarden von Sternen handelt, Körper so groß wie unsere Sonne, die aber so weit entfernt sind, dass wir sie nicht einmal mehr als einzelne Lichtpunkte wahrnehmen können. Die ca. 6.000 Sterne, die man mit bloßem Auge erkennen kann, gehören auch alle zur Milchstraße. Bis ins 17. Jahrhundert war nicht bekannt, um was es sich bei der Milchstraße überhaupt handelt. Erst als Galileo Galilei sie 1609 mit dem ersten Fernrohr beobachtete, erkannte er einzelne Sterne.

So lässt sich auch erklären, woher der Name im Altertum kommt. In der Mythologie der Griechen brachte Zeus seinen Sohn Herakles, dessen Mutter eine Sterbliche war zu seiner schlafenden Frau Hera, damit er von ihrer Milch trinke um göttliche Kraft zu erhalten. Als diese erwachte und den Säugling von sich stieß, spritzte Milch über den ganzen Himmel. Der Name Galaxis leitet sich von dem griechischen Wort für Milch ab.

1785 postulierte Wilhelm Herschel, dass es sich bei der Milchstraße um ein scheibenförmiges Gebilde handeln müsse. Erst 1919 erkannte Harlow Shapley die ungefähre Größe und, dass die Sonne nicht im Mittelpunkt liegt, sondern eher am Rand. Edwin Hubble konnte schließlich 1923 nachweisen, dass unsere Milchstraße nur eine unter Vielen ist. Aber die Struktur der Milchstraße blieb noch lange unklar. Der Grund ist, dass wir uns innerhalb dieses Systems befinden, Staub und Gasmassen uns den Blick versperren und wir, um eine räumliche Vorstellung zu erhalten, die Entfernung aller Objekte kennen müssen. Viel leichter ist es da zum Beispiel, die Struktur der Andromeda-Galaxie zu erfassen, die wir von außen sehen. Um zu unserem heutigen Bild der Milchstraße zu gelangen, mussten in einem langen Prozess die Erkenntnisse aus vielen Bereichen - insbesondere auch aus der Infrarot- und Radioastronomie - zusammengefasst werden. (Vgl. hierzu die Monatsthemen März und Dezember 2003.)

Heute wissen wir, dass unsere Milchstraße eine Spiralgalaxie (genauer Balkenspiralgalaxie) mit einem Durchmesser von 100.000 bis 120.000 Lichtjahren (LJ) ist. Wir müssen sie uns als eine runde Scheibe mit einer zentralen Verdickung (Bulge) vorstellen. Die Scheibe selbst hat eine Dicke von ca. 3.000 LJ, während der Bulge es auf ca. 16.000 LJ bringt. Inzwischen hat man mithilfe des Weltraumteleskops Spitzer herausgefunden, dass der zentrale Balken eine Länge von immerhin 27.000 LJ hat. In der galaktischen Ebene sind die Sterne nicht gleichmäßig verteilt, sondern bilden zwei Spiralen mit einigen Nebenarmen. Die Milchstraße rotiert um ihr Zentrum, und zwar so, dass die Sterne sich umso schneller bewegen, je näher sie dem Zentrum sind (differentielle Rotation). Das Alter der Milchstraße wurde 2004 mit 13,6 +/- 0,8 Milliarden Jahre bestimmt. Für die äußere Scheibe werden 8,8 Milliarden Jahre angenommen. Wenn nun die Sterne "fest" in einem Spiralarm wären, dann würden sich diese Arme immer weiter eindrehen und nach wenigen Umdrehungen wäre von einer Spiralstruktur nichts mehr zu erkennen. Aber es wurde festgestellt, dass sich die Sterne nicht fest in einem Spiralarm aufhalten.

Wie ist dann zu erklären, dass sich die Spiralarme erhalten haben? Die Untersuchungen zeigten, dass sich in den Spiralarmen große Sterne bilden, die mit ihrer Energie verschwenderisch umgehen. Sie sind leuchtstark und entfernen sich wegen ihrer kurzen Lebensdauer nicht weit von den Spiralarmen. Die älteren, langlebigeren und kleineren Sterne in den Zwischenräumen fallen dagegen nicht so auf. Außerdem konzentriert sich gerade in der Hauptebene eine große Masse an Staub und atomarem Wasserstoff (H II-Regionen). Dadurch wird das Licht der Sterne und anderer Strahlungsquellen stark geschwächt. Deswegen sehen wir von der Erde aus die Milchstraße nur als gleichmäßiges, schwaches Band, auch wenn wir auf das Zentrum blicken, das in Richtung des Sternbilds Schütze liegt.

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360°-Panorama-Aufnahme des Himmels mit der Milchstraße im Death Valley/USA. In der Nähe des helleren Bereichs liegt das Zentrum.
(Wikipedia Commons)

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Die nächste Frage, die sich ergibt, ist: Wo befindet sich die Sonne in dieser Milchstraße? Wie wir aus den Darstellungen erkennen können, liegt sie ungefähr in der Hauptebene in etwa 25.000 bis 28.000 LJ vom Zentrum und umkreist dieses in etwa 240 Millionen Jahren. Sie liegt dabei im Orion-Arm, einem weitgehend staubfreien Nebenarm des Perseus-Spiralarms. Aber ihre Bahn ist nicht ungestört: Wegen der unterschiedlichen Massenanziehung in der galaktischen Ebene führt sie zusätzlich eine Wellenbewegung durch, die sie in etwa 42 Millionen Jahren jeweils um bis zu 250 LJ über und unter die Hauptebene führt.

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Seitenansicht unserer Milchstraße von außen.
(Skizze vom Autor)

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Der Halo umgibt die Milchstraße und ergänzt sie zu einem kugelförmigen Gebilde von etwa 165.000 LJ Durchmesser. Er besteht aus Gas in geringer Dichte und einer Anzahl alter Sterne sowie rund 150 Kugelsternhaufen. Im Halo müssen sich außerdem große Mengen Dunkler Materie befinden, für die es bisher noch keine Möglichkeit der Messung gibt. Ihre Existenz ist aber notwendig um die Gravitation der Milchstraße als Ganzes zu erklären.

Das Zentrum der Milchstraße besteht aus dem Kern und der umgebenden Verdickung. Hier ist die Konzentration an Sternen besonders hoch. Das Zentrum kann im sichtbaren Licht nicht beobachtet werden, da es von dunklen Staubwolken verdeckt ist. Beobachtungen sind in den letzten Jahren im Infraroten, im Radiobereich und im Röntgenbereich immer genauer geworden. Als gesichert gilt, dass sich dort ein Schwarzes Loch mit 4,31 Millionen Sonnenmassen befindet. Da hier viele neue Erkenntnisse gewonnen wurden, wird dem Zentrum der Milchstraße ein eigener Artikel gewidmet.

Gerardo Inhester


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Otto J. Pilzer, 2012-09-01