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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema November 2002: "Es wird Nacht am hellichten Tag..."

...das Schauspiel einer Sonnenfinsternis, wohl eines der großartigsten astronomischen Phänomene.

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Sonnenkorona (Aufnahme: Vereinsmitglied)
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Sonnenprotuberanzen und innere Sonnenkorona (Aufnahme: Vereinsmitglied)
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Sonnenprotuberanzen (Aufnahme: Vereinsmitglied)
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Sichtbarkeit der totalen Sonnenfinsternis am 04.12.2002 in Afrika (Quelle: NASA 2002 Eclipse Bulletin)
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Der Verlauf einer Sonnenfinsternis auf unserem Heimatplaneten lässt sich heutzutage viele Jahrhunderte im Voraus berechnen. Obwohl das Schauspiel einer totalen Verfinsterung der Sonnenscheibe vorhersehbar ist, bleibt es fürwahr eines der eindrucksvollsten und emotional berührendsten Ereignisse. Sie gehört zu den Begebenheiten, welche nur wenige Menschen in ihrem, verglichen zur kosmischen Zeitmessung kurzen Erdendasein, erleben können. Jeder, der die verdunkelte Sonne einmal auf sich wirken lassen konnte, wird sich in ihren Bann gezogen fühlen und sie immer in Erinnerung haben.

Was stellte man sich zu früheren Zeiten vor?

Die Menschen der Antike sahen in Finsternissen unheilbringende Vorzeichen, da die alten Hochkulturen eine tiefe Beziehung zu allem hatten, was sich am Himmel ereignete. So kam es, dass sie glaubten, den Willen ihrer Gottheiten am Himmelsgewölbe erkennen zu können. Beispielsweise ist von Herodot zu hören, dass anno 585 v. Chr. im fünfjährigen Krieg zwischen Medern und Lydern "[...] im sechsten Jahr, als gerade eine Schlacht im Gange war, während des Kampfgetümmels plötzlich der Tag zur Nacht wurde [...]. Als die Lyder und Meder sahen, dass die Nacht den Tag ersetzte, ließen sie vom Kampf ab und drängten auf beiden Seiten darauf, Frieden zu schließen".

In anderen antiken Kulturen verstand man Finsternisse so, als ob die Sonne von einem Ungeheuer gefressen würde - in China sprach man von einem Himmelshund, bei einigen Völkern Südamerikas gar von einem Vogel mit ausgebreiteten Schwingen. In Indien wurde die Sonne von dem Dämon Rahu verschlungen. Die Kalina-Indios in Surinam veranstalteten einen Höllenlärm, um die beiden Kämpfer - Sonne und Mond - zu trennen, die zwar Geschwister sind aber manchmal heftig streiten. Indianer in Alaska glaubten, dass die Sonne durch eine Krankheit verdunkelt wird. Dergleichen oder ähnliche Erklärungen gab es in allen altertümlichen Zivilisationen.

Auf Mythen basierende Erklärungsversuche gab es schon in der Frühzeit. Die ältesten Aufzeichnungen und erste physikalische Berechnungen stammen von den Babyloniern, welche nachweislich im achten Jahrhundert v. Chr. eine totale Sonnenfinsternis beobachteten. Das Wissen um die Vorhersage und Beschreibung von Finsternissen wurde von den Griechen übernommen. So kommt auch der Begriff "Eklipse" vom griechischen ekleipsis - was die Bedeutung von "Ausfall" oder "Verschwinden" hat.

Was geschieht bei einer Eklipse wirklich?

Bei einer Sonnenfinsternis bewegt sich vom Beobachter aus gesehen der Mond vor der Sonne vorbei und verdeckt sie ganz oder teilweise für einige Zeit. Der Zufall will es, dass die Sonne rund 400 mal größer und gleichzeitig rund vierhundertmal weiter von der Erde entfernt ist als der Mond. Deshalb erscheinen beide Objekte von der Erde aus betrachtet ungefähr gleich groß. Damit es zu einer Sonnenfinsternis kommt, muß der Mond genau zwischen Sonne und Erde stehen, also Neumond sein. Da die Bahn des Mondes um die Erde aber gegenüber der Erdbahn (Ekliptik) um ca. 5° geneigt ist, steht der Neumond meistens über oder unterhalb der Sonne. Zweimal im Jahr kreuzt der Mond die Ekliptik in den sogenannten Knoten. Wenn ein solcher Knoten in der Verbindungslinie zwischen Erde und Sonne steht, können wir eine Sonnenfinsternis beobachten. Daher sind solche Ereignisse so selten.

Je nach dem, wie nahe der Mond am Knoten steht, und wie genau die drei Objekte Sonne, Mond und Erde in einer Linie aufgereiht sind, kann es zu einer partiellen oder totalen Finsternis kommen. Die Totalitätszone liegt im Kernschatten des Mondes, dem schmalen Gebiet, in das von der Sonne her kein Licht eindringt. Um den Kernschatten herum befindet sich der Halbschatten; in diesem Bereich sind nur Teile der Sonnenscheibe sichtbar - sie erscheint dann teilweise verfinstert und zwar in immer geringerem Ausmaß, je weiter sich der Beobachter von der Totalitätszone entfernt befindet. Bei einer partiellen Finsternis hingegen gibt es keinen Ort auf der Erde, an dem die Sonne gänzlich verdeckt ist.

Außerdem gibt es noch die ringförmige Sonnenfinsternis. Diese kommt deshalb zustande, weil die Mondbahn elliptisch ist und damit der Abstand des Mondes zur Erde variiert. Ist der Mond weiter entfernt von der Erdkugel, so erscheint die Mondscheibe kleiner als die Sonnenscheibe und wenn er sich vor unser Tagesgestirn schiebt, entsteht kurzzeitig ein Ring. Um die Sache endgültig zu verkomplizieren, soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch die Erdbahn elliptisch ist. Ausschlaggebend für die Dauer einer totalen Verfinsterung der Sonne ist das Verhältnis zwischen dem scheinbaren Durchmesser der Sonne und dem des Mondes am Firmament. Sind beide Durchmesser in etwa gleich groß, so dauert die Erscheinung nur einen Sekundenbruchteil. Je größer der scheinbare Monddurchmesser ist, desto länger dauert die Finsternis, maximal ca. 8 Minuten.

Was ist bei einer totalen Verfinsterung der Sonne zu beobachten?

Unser Tagesgestirn hat einen ungefähren Durchmesser von 1,392 Millionen km, das sind etwas mehr als 109 Erddurchmesser! Sie ist ein gigantisch großer thermonuklearer Ofen, in dessen Zentrum bei etwa 14 Millionen Grad Wasserstoff zu Helium umgewandelt wird. Die dabei entstandene Energie wird unter anderem über die etwa 300 km dicke Photosphäre, das ist die visuell erkennbare vermeintliche Sonnenoberfläche, als gleißendes Licht abgestrahlt. Die Strahlungsintensität hierbei entspricht annähernd dem 450000-fachen der Vollmondhelligkeit. Während der partiellen Phase einer Finsternis ist also unbedingt der Schutz des Augenlichts durch geeignete Filter notwendig - vor allem bei Beobachtung mit Fernglas oder Fernrohr wäre ansonsten sofortige Erblindung die Folge!

Nur bei einer totalen Sonnenfinsternis werden auch die oberhalb der Photosphäre befindlichen, vergleichsweise schwachen Lichterscheinungen in der ca. 10000 km mächtigen Chromosphäre sichtbar. Sie erscheint für wenige Sekunden als rosafarbiger sichelförmiger Lichtsaum, wenn der Mond bereits die Photosphäre, noch nicht aber die darüber liegenden Schichten der Sonnenatmosphäre abgedeckt hat.

Da die Mondscheibe nicht präzise rund ist, strahlen kurz vor der gänzlichen Bedeckung wegen der Unebenheiten am Mondrand an einigen Stellen noch kleine Bereiche der hellen Sonnenscheibe durch. Diese dann zu sehenden scheinbar am dunklen Mondrand aufleuchtenden glänzenden Perlen bezeichnet man als Diamantringeffekt oder auch Perlschnurphänomen.

Während der Mond die Sonnenscheibe völlig bedeckt, erscheinen die Protuberanzen. Sie sind als helle rot leuchtende, fein strukturierte Materieansammlungen am Rand der Sonne sichtbar. Hierbei handelt es sich um riesige, extrem heiße Wasserstoffmassen, die aus der Photosphäre viele hunderttausend Kilometer aufsteigen und durch die Anziehungskraft der Sonne nach einigen Stunden bis zu einigen Monaten wieder zurückfallen.

Gleichzeitig wird die äußerste Hülle der Sonne, die Korona, sichtbar. Sie leuchtet in unregelmäßiger Form als perlweißer Strahlenkranz um die verfinsterte Sonne und sieht aufgrund der elfjährigen Aktivitätsperiode und der Vorgänge im Inneren unseres Zentralgestirns von Finsternis zu Finsternis verschieden aus. Die Ausdehnung der Korona variiert zwischen drei und fünf Sonnendurchmessern und ihre Helligkeit beträgt dabei lediglich ein Millionstel der Photosphärenhelligkeit.

Auf hellen Häuserfronten und glatten Bodenformationen kann man kurz vor und nach der Totalität die sogenannten Fliegenden Schatten beobachten. Die durch Turbulenzen in der Erdatmosphäre unregelmäßig abgelenkten schmalen Lichtbündel der Sonnenstrahlung projizieren kurzzeitig in der Helligkeit schnell veränderliche und rasch dahinhuschende Licht- und Schatteneffekte.

Man sollte bei allen auftretenden Effekten auch den Blick zum übrigen Himmel nicht vergessen, denn bei einer totalen Sonnenfinsternis erscheinen mitten am Tage auch die helleren Sterne und Planeten am Himmel!

Darüber hinaus kommen noch persönliche emotionale Erlebnisse beruhend auf dem jeweiligen Beobachtungsort und der Umgebung, den äußeren Umwelteinflüssen und dem öffentlichen Leben, wie auch Flora und Fauna. So konnte der Autor glücklicherweise zwei totale Finsternisse miterleben - das erste Mal vor drei Jahren im südöstlichen Ungarn im astronomisch gleichgesinnten Freundeskreis. Zum anderen die erste totale Sonnenfinsternis im dritten Jahrtausend am 21. Juni 2001 inmitten Einheimischer der Republik Sambia. Ausführliche Erlebnisberichte darüber können im Internet unter http://astronomy.meta.org/forum/finsternisbericht.html und http://astronomy.meta.org/forum/sofi01.html eingesehen werden.

Auch die nächste, am 04. Dezember 2002 stattfindende totale Sonnenfinsternis ist wieder über dem afrikanischen Kontinent zu beobachten. Dieses Mal verläuft die Totalitätszone vom Südatlantik kommend über Angola, streift den Caprivi-Zipfel in Namibia, führt entlang der Grenze zwischen Botswana und Simbabwe, wandert über das nördliche Südafrika und Mosambik, wo der Kernschatten dann die ostafrikanischen Küste in Richtung Australien verlässt. Wem die große europäische Finsternis 1999 entging, hat die Möglichkeit, das Ereignis beispielsweise aus der leicht zu erreichenden Republik Südafrika zu beobachten. Im Krüger-Nationalpark wird das herrliche Schauspiel während der frühen Morgenstunden inmitten von Wildtieren stattfinden. Sicher wird das Ereignis neben Profiastronomen auch viele engagierte Sternfreunde anziehen. Klar, dass der Autor wieder dabei ist, denn die Schwarze Sonne macht süchtig. Weitere Informationen befinden sich unter http://sunearth.gsfc.nasa.gov/eclipse/eclipse.html .

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Otto J. Pilzer, 2002-10-28