- Astronomie im Berchtesgadener Land - Monatsthema Dezember 2011: "Frauen in der Astronomie - Teil III: Die Gleichstellung setzt sich durch"Pferdekopfnebel (IC 434) im Orion, auch bekannt als Barnard 33, dessen ungewöhnliche Form zum ersten Mal von Williamina Fleming entdeckt wurde. Quelle: NOAO Tucson Arizona, Hubblesite.org [Zum Vergrößern bitte Bild anklicken] Nach den Frauen des Altertums und der Zeit bis zum 19. Jahrhundert wollen wir uns nun der Neuzeit widmen. In Dundee, Schottland geboren, wuchs Williamina Paton Stevens (1857-1911) in ihrer Geburtsstadt auf, wurde Lehrerin, heiratete James Orr Fleming und wanderte mit 21 Jahren nach Boston/Massachusetts, USA aus. Schon nach kurzer Zeit verließ sie ihr Mann und sie musste für sich und ihr Neugeborenes den Lebensunterhalt selbst verdienen.
Bei Professor Edvard Charles Pickering vom Harvard College Observatory fand sie eine Anstellung als Haushälterin. Pickering, der in Fachkreisen bereits bekannt war für die vielen Frauen, die er an seinem Observatorium als Mitarbeiterinnen beschäftigte (man sagte, er sei mit seinen männlichen Mitarbeitern nicht recht zufrieden gewesen!), gab seiner neuen Haushälterin eine Chance.
Sie dankte es ihm, indem sie sich mit Eifer und Klugheit an die Arbeit machte und ein neues System zur Klassifizierung von Sternen, geordnet nach Spektrallinien, ersann. Dieser Katalog bildete den Grundstein für den berühmten "Draper Catalogue of Stellar Spectra". In neun Jahren katalogisierte sie mehr als 10 000 Sterne und entdeckte dabei zahlreiche Gasnebel, Veränderliche Sterne und Novae.
Das Vertrauen, das sie bei Pickering genoss, war so groß, dass sie sämtliche Veröffentlichungen des Observatoriums redigierte. Schließlich wurde sie 1906 als erste Frau zum Ehrenmitglied der Königlichen Astronomischen Gesellschaft von London erhoben.
Henrietta Swan Leavitt (1868-1921), in Lancaster (Massachusetts, USA) geboren und in Cleveland/Ohio aufgewachsen, besuchte das dortige College. Nachdem sie am Harvard College Observatory zunächst als Volontärin arbeitete, bekam sie später vom Direktor des Instituts, Professor Edvard Charles Pickering (siehe oben) eine feste Stelle angeboten und widmete sich der Welt der Veränderlichen Sterne. Sie fand 1908 heraus, dass es eine feste mathematische Beziehung zwischen Leuchtkraft und Periode der Helligkeitsschwankung der sog. Cepheiden gab und revolutionierte damit die Entfernungsmessung in der Astronomie (siehe auch: Monatsthema August 2010). Im Circular 173 des Harvard College Observatory vom 3. März 1912 veröffentlichte Edward Pickering diese Entdeckung und vergaß dabei nicht, die Urheberin der Arbeit, Miss Leavitt, in der ersten Zeile zu erwähnen. Leavitt entdeckte vier Novae und über 1200 neue Veränderliche Sterne und verschaffte sich internationale Anerkennung mit einer neuartigen Methode der fotografischen Vermessung von Sternen auf Fotoplatten. Ihr Reputation in der vorwiegend von Männern beherrschten Welt der Astronomie drückte sich auch in der Mitgliedschaft von zahlreichen Gesellschaften aus wie der American Association of University Women, der American Astronomical and Astrophysical Society, der American Association for the Advancement of Science. Auch wurde sie Ehrenmitglied der American Association of Variable Star Observers. Der Asteroid 5383 und ein Mondkrater wurden posthum nach ihr benannt. Paris Maria Pismis (1911-1999) war armenischer Abstammung und hieß ursprünglich Mari Sukiasyan. Sie wurde in Konstantinopel geboren und wuchs dort auf. An der Istanbul University machte sie bei dem aus Nazideutschland geflüchteten deutschen Astrophysiker Erwin Freundlich ihren Doktor und ging durch Vermittlung ihres Tutors Freundlich im Rahmen eines Stipendiums als Postdoc an die Harvard University, wo sie ihren späteren Mann, einen mexikanischen Mathematiker, kennen lernte und heiratete. Nach der Übersiedelung nach Mexiko wurde sie die erste Astronomin von Mexiko. Maria Pismis befasste sich mit Studien der Bewegungsenergie von Galaxien und der Struktur von Offenen Sternhaufen und Planetarischen Nebeln. Sie verfasste den Pismis-Katalog von 22 Offenen Sternhaufen und 2 Kugelsternhaufen auf der Südhemisphäre. Neben der wissenschaftlichen Arbeit lehrte sie auch in Astronomie und regte viele Mexikanerinnen zum Studium der Astronomie an. Die renommierte amerikanische Astronomin von Yale, Dirrit Hofleit, schrieb für einen Vortrag, Maria Pismis sei die Ursache dafür, dass Mexiko das Land mit der höchsten Quote an weiblichen Astronomen ist. Eva Ahnert-Rohlfs (1912-1954) wuchs in der Residenzstadt Coburg auf, studierte von 1931 an in Würzburg, München, Kiel und Göttingen. Als Assistentin von Bruno Hoffmeister an der Sternwarte Sonneberg lernte sie den Astronomen Paul Ahnert kennen, den sie nach ihrer Promotion in Astrophysik an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena heiratete. Ihre Arbeit erstreckte sich auf Gebiete wie: Poynting-Robertson-Effekt und interstellare Materie, Nachweis von Meteoritischem Staub, Struktur der Entstehung des Perseidenstroms. Ihr war nur ein kurzes Leben beschieden. Sie starb mit 42 Jahren.
Die finnische Astronomin Liisi Oterma (1915-2001) studierte an der Universität Turku/Finnland Mathematik und Astronomie, promovierte (Doktorarbeit über Teleskop-Optik) in diesem Fach, erhielt eine Professur und wurde Leiterin des Tuorla Observatoriums bei Turku. Wie ihr Professor aus ihrer Studienzeit berichtete, war sie eine ausgesprochene Expertin im Spiegelschleifen und in der Herstellung von Optiken für Teleskope. Im Rahmen eines umfangreichen Asteroiden-Suchprogrammes entdeckte sie mehr als 50 Asteroiden und 3 Kometen, darunter die periodischen Kometen 38P/Stephan-Oterma und 39P/Oterma. Sie sprach fließend elf Sprachen. Trotz ihrer großen Erfolge auf dem wissenschaftlichen Parkett blieb Bescheidenheit ein besonderer Wesenszug ihrer Persönlichkeit. Der Asteroid (1529) Oterma wurde ihr gewidmet. Die erste deutsche Frau, die einen Lehrstuhl für Astronomie in Deutschland innehatte, war Waltraut Seitter (1930-2007). Geboren in Zwickau, legte sie 1949 ihr Abitur in Köln ab, begann dort ein Studium der Physik, Chemie, Mathematik und Astronomie. Ein Fulbright-Stipendium ermöglichte ihr ein Studium am Smith College, Northampton (Massachusetts), das sie mit dem Master of Arts in Physik abschloss. Nach der Rückkehr nach Deutschland promovierte sie 1962 an der Universität Bonn und wurde zum Hauptobservator ernannt. Bis 1975 war sie an zwei US-Universitäten (Nashville und Smith College) als Gast-Professorin tätig und erhielt 1975 einen Ruf an die Universität Münster als Professorin und Direktorin des Astronomischen Instituts. Ihre Arbeiten in Bonn befassten sich u. a. mit der spektralen Klassifizierung von Sternen. Ihre Arbeiten flossen in den Bonner Spektralatlas ein. An der Universität Münster nahm die Führung des Instituts und das üblichen Einbringen von Forschungs- und Fremdmittel einen Großteil ihrer Arbeit in Anspruch. Daneben fand sie aber noch Zeit für zahlreiche Artikel über das Muenster Redshift Project zur großräumigen Galaxienverteilung sowie einer Galaxiendurchmusterung des Südhimmels. Nach ihrer Emeritierung 1995 führte sie noch Arbeiten in den USA und Chile durch. Der Asteroid (4893) Seitter wurde ihr zu Ehren benannt. Es würde den Rahmen dieses Artikels deutlich sprengen, alle Namen und Arbeiten von bedeutenden Frauen in der Astronomie zu würdigen. Der Auszug soll ein Bild vermitteln von den Schwierigkeiten und Hindernissen, die Frauen zu überwinden hatten, wenn sie sich einen Platz in der Männerwelt der Astronomie erkämpfen wollten. Heute sind die vielen Frauen, die mittlerweile die Astronomie zum Beruf gemacht haben, ein Beispiel für die fortschreitende Chancengleichheit in der Wissenschaftswelt. Walter Conrad
Zum Sternenhimmel Dezember 2011
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