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- Astronomie im Berchtesgadener Land -

Monatsthema Mai 2012: "Cepheiden - Meilensteine im All"

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Die Grosse und die Kleine Magellansche Wolke (links im Bild). In der Kleinen Magellanschen Wolke erforschte Henrietta Swan Leavitt die Cepheiden.
Quelle: ESO / S. Brunier

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Als die amerikanische Astronomin Henrietta Swan Leavitt im Jahre 1912 Fotoplatten mit Cepheiden aus der Kleinen Magellanschen Wolke vermaß, welche von der Sternwarte der Universität von Harvard/USA in Chile aufgenommen worden waren, machte sie eine Entdeckung, die in der Astronomiewelt einer Sensation gleichkam. Sie fand heraus, dass Variable Sterne, die zur Gruppe der Cepheiden gehörten, eine Beziehung zwischen der absoluten Helligkeit und der Periode der Helligkeitsschwankung aufwiesen (Einzelheiten zur Entfernungsmessung siehe auch die Monatsthemen Juni, Juli und August 2010.). Der Direktor des Harvard College Observatory, Edward Charles Pickering veröffentlichte bald darauf diese bahnbrechenden Entdeckung seiner Mitarbeiterin Leavitt in einer wissenschaftlichen Zeitschrift.

Mit dieser Perioden-Leuchtkraft-Beziehung eröffnete sich die Möglichkeit, die Distanz zu weit entfernten Galaxien zu messen. Mithilfe der Leavittschen Entdeckung versuchte der dänische Astronom Ejnar Hertzsprung, der am Mount Wilson Observatorium in Kalifornien arbeitete, ein Jahr später die Entfernung der Kleinen Magellanschen Wolke zu berechnen. Dabei unterlief ihm allerdings ein Rechenfehler und das Ergebnis fiel mit 37.000 Lichtjahre (LJ) deutlich zu gering aus (heute gültiger Wert 200.000 LJ).

Etwas später verhalf der ebenfalls am Mount-Wilson-Observatorium arbeitende amerikanische Astronom Harlow Shapley durch die Untersuchung von 11 Cepheiden in zur Milchstraße gehörenden Kugelsternhaufen der Perioden-Helligkeits-Beziehung von Henrietta Leavitt zum Durchbruch und berechnete den Durchmesser der Milchstraße. Das Ergebnis geriet mit 300.000 LJ deutlich zu hoch (heutiger Wert: 100.000 LJ). Auch unterschätzte er aufgrund der Altersunterschiede der Sterne in den Sternhaufen der Milchstraße und im Halo deutlich die Entfernungen zum "Andromedanebel" und zur Kleinen Magellanschen Wolke. Das führte wiederum zu der Annahme, dass die Andromedagalaxie ähnlich wie die Magellanschen Wolken zum System der Milchstraße gehörte.

Edwin Hubble, der amerikanische Astronom, der am Mt. Wilson Observatorium seine ersten Sporen verdient und dort seine wichtigsten Arbeiten am damals größten Spiegelteleskop der Welt, dem Hale-Reflektor mit 2,5 m Durchmesser, durchgeführt hatte, untersuchte Cepheiden in der Andromeda-Galaxie, der benachbarten Galaxie M 33 und weiteren ferneren Galaxien und berechnete ihre Entfernungen.

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Bild links: Moderne Aufnahme der Andromeda-Galaxie.
Inset rechts unten: Die Original-Fotoplatte von 1923 mit der markierten Stelle des Cepheiden V1, zuerst hielt Edwin Hubble diesen Stern für eine Nova (Buchstabe N), dann strich er das N durch und ersetzte diese durch VAR! (für Variable).
Inset rechts oben: Moderne Aufnahme des Cepheiden V1 mit dem Hubble Space Telescope, markiert durch einen Kreis.
Quelle: NASA, ESA and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

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Das war nur möglich, weil zum ersten Mal mithilfe dieses Riesenfernrohres eine Auflösung der Randbereiche (Spiralarme) der Andromeda-Galaxie in Einzelsterne möglich wurde. Gut zwölf Jahre nach der Arbeit von Miss Leavitt gelang es Edwin Hubble, mit der Cepheiden-Methode die Distanz der Andromeda-Galaxie mit 980.000 LJ zu bestimmen. Damit war der Beweis erbracht, dass sich die Galaxien weit außerhalb unserer Milchstraße befinden. Ein jahrelanger Streit unter Astronomen über die Entfernung von damals noch Nebel genannten Galaxien war schlagartig zu Ende gegangen.

Der deutschstämmige Astronom Walter Baade, der 1925 durch die Vermittlung von Harlow Shapley ein Stipendium in den USA bekam, arbeitete ab 1926 am Harvard-College-Observatorium, am Yerkes-Observatorium, am Lick-Observatorium sowie am Mount-Wilson-Observatorium. Er untersuchte an diesen Sternwarten Spiralgalaxien und Sternhaufen. Nach kurzem Aufenthalt in Deutschland erhielt Baade 1931 eine Berufung an das Mount-Wilson-Observatorium. Er nutzte die erzwungene Verdunkelung der in der Nähe von Mount Wilson liegenden amerikanischen Großstädte Pasadena/Los Angeles und San Diego während des Zweiten Weltkrieges, um bei optimalen Sichtbedingungen Cepheiden in benachbarten Galaxien auf Fotoplatten zu bannen und zu erforschen. Es gelang ihm 1944 auch, mit dem 2,5-m-Spiegel die Kernzone der Andromedagalaxie in Einzelsterne aufzulösen. Im Jahre 1952 korrigierte er die Perioden/Leuchtkraft-Beziehung von Cepheiden mit der Folge, dass sich die bis dahin gültigen galaktischen Distanzen verdoppelten. Die Andromedagalaxie war also nicht 980.000, sondern 2,5 Mio. LJ entfernt!

Was aber sind diese seltsamen Variablen Sterne, die nach dem Stern Delta Cephei im Sternbild Kepheus benannt sind? Es sind junge Riesensterne, die heller als unsere Sonne sind, mit Perioden von einigen Tagen bis zu mehreren Monaten in der Helligkeit pulsieren und dabei bis zu 2 mag variieren. Nach heutigen Erkenntnissen blähen sich Cepheiden periodisch auf und ziehen sich wieder zusammen. Beim Aufblähen steigt durch den größer werdenden Radius der Sternoberfläche die Helligkeit an. Die Temperatur der Strahlung verringert sich dabei nur leicht. Nach Erkenntnissen der heutigen Astrophysiker läuft der Prozess etwa so ab: die Gammastrahlung aus dem Inneren (Wasserstoffbrennen) wird vom teilweise ionisierten Helium in einer Schicht knapp unter der äußeren Strahlungsschicht des Sterns absorbiert und die Temperatur steigt dort an, dabei nimmt die Durchlässigkeit für die Strahlung aus dem Inneren stark ab und heizt den Prozess weiter an. Durch den Strahlungsdruck dehnt sich die Oberfläche bis zum 2,5-fachen des Radius aus. Bei dieser Ausdehnung nimmt die Strahlungsdurchlässigkeit der Sternoberfläche wieder zu, die äußere Schicht kühlt ab und der Stern kontrahiert wieder zur Ursprungsgröße. Die ionisierte Heliumschicht wird anschließend wieder aufgeheizt und der Prozess beginnt von Neuem. Diese Pulsation wird von den Astrophysikern Kappa-Mechanismus genannt.

Nach modernen Messungen wird die Entfernung der Andromeda-Galaxie mit 2,5 Mio. LJ angegeben. Warum hat sie Hubble mit 980.000 LJ berechnet? Im Jahre 1924 konnte man noch nicht wissen, dass es zwei Klassen von Cepheiden gibt: die Klasse I Cepheiden (den klassischen Cepheiden wie Delta Cephei) und eine weitere Klasse, die Klasse II Cepheiden (unter denen auch die sog. "Virginis-Sterne firmieren), die bei gleicher Periode und Helligkeit mehr als doppelt so weit entfernt sind wie Klasse I Cepheiden. Hubble hat gewissermaßen die "falschen" Cepheiden als Referenz genommen und die Berechnungen mussten später korrigiert werden. Der Unterschied zwischen den beiden Klassen wird heute so erklärt, dass die Klasse II Cepheiden eine andere chemische Zusammensetzung des Sternplasmas aufweist. Während bei Klasse I Wasserstoff und Helium vorhanden sind, weisen die Sternschichten bei Klasse II auch höhere Elemente auf: man spricht dann von einer größeren Metallizität (in der Astrophysik spricht man von Metallizität bereits bei Elementen höher als Helium, also von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff usw.). Diese beiden Klassen unterscheiden sich durch ihr Spektrum.

Die Cepheiden sind bis heute bedeutende Objekte für die Astronomie geblieben. So gelang es vor Kurzem einer Forschergruppe der ESO am VLTI (Very Large Telescope Interferometer) der Europäischen Südsternwarte auf spektakuläre Weise, die Winkelausdehnung eines Cepheiden beim Maximum und Minimum direkt nachzuweisen. Eine schöner Bestätigung für das theoretische Modell der Cepheiden!

Walter Conrad


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Otto J. Pilzer, 2012-05-01